ahavta - begegnungen erwartet das Christfest
Das sagt der biblische Prophet Micha über Betlehem. Er meint es über seine Größe nach der Einwohnerzahl, mehr aber noch über die Bedeutung des Fleckens. Weder im Alten noch im Neuen Testament ist Betlehem ein wichtiger Ort.
Wichtig ist, wer von dort stammt. Und das ist König David: „David war der Sohn eines Efratiters namens Isai aus Betlehem in Juda“, lesen wir in 1.Samuel 17,12. David wurde König Israels. In der Zeit nach dem babylonischen Exil wächst die Hoffnung auf einen neuen Herrscher wie David, der das Volk retten und ihm Frieden bringen werde. „Aus dem Baumstumpf Isais (dem Vater Davids) wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht“, schreibt Jesaja 11,1. Ein neuer Anfang wird ersehnt. Im Buch des Propheten Micha ist Betlehem ein Anknüpfungspunkt dieser Hoffnung: „Aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. … Er wird groß sein bis an die Grenzen der Erde. Und er wird der Friede sein.“
Der erwartete Sohn Davids, also der Nachkomme aus Davids Geschlecht, wird zum Bringer der messianischen Zeit der Freiheit für Israel. In Jesus von Nazaret konzentrierte sich diese Hoffnung für dessen Schüler und Gefolgsleute. Darum lässt Lukas (1,31–33) der Mutter Jesu verkünden:
Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
„In der Stadt Davids“, in Betlehem, wird daher der Sohn Marias geboren.
Zu Weihnachten gesungener Ausdruck der Hoffnung auf den Friedenskönig ist dieses Lied:
1.Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
2.Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk! Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh! Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
3.Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild! Ewig steht dein Friedensthron, du des ewgen Vaters Kind. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!
„Gesegnet seinem Volk“ Israel, aus dem der Christus, als Kind und Jesus in Betlehem geboren, stammt, ist er wohl eher noch nicht; sein himmlischer Friedensthron ist längst kein irdischer geworden.
Der Krippensammler Hans Gruener wurde 2001 von Dietrich Bonhoeffer zu dieser Krippendarstellung angeregt. Er zitiert den evangelischen Märtyrer:
Die abendländische Geschichte ist nach Gottes Willen mit dem Volk Israel unlöslich verbunden ... Eine Verstossung der Juden aus dem Abendland muss die Verstossung Christi nach sich ziehen; denn Jesus Christus war Jude... Wenn heute die Synagogen brennen, dann werden morgen die Kirchen angezündet werden.
Die Krippe, eine Grotte aus fränkischem Feldstein. In den Wohnstuben Frankens feiert man „Fränkische Weihnacht“, den Geburtstag dieses jüdischen Kindes aus dem Stamm Juda, aus dem Geschlecht Davids, des Erlösers, des Heilands, des Sohnes Gottes: JESUS. Parallel rollen „auf dem andern Gleis“ die Waggons mit jüdischen Kindern, Frauen und Männern in die Vernichtungslager. Ob spätere Besucher aus dem Morgenland im „Christlichen Abendland“ ausser ein paar Heiligen, Maria und Joseph, noch den König der Juden, JESUS, finden? Vielleicht hatte man auch IHN fortgebracht. Und nur ein armes Hirtenmädchen im Waggon war mit ihm gegangen, betet ihn an, war ihm nachgefolgt...
Leer ist der Geburtsplatz in der Felsengrotte bei Jesu Eltern und den Weisen aus dem Morgenland. Der gerade geborene Friedefürst ist derweil bei seinen Schwestern und Brüdern aus seinem Volk. Auch zu Weihnachten kann – so lehrt uns Hans Grueners Krippe – die Geburt des Christus nicht ohne seine Liebe und Zugehörigkeit zu seinem jüdischen Volk gefeiert werden.
Verbunden mit Israel sind Christinnen und Christen nicht nur zum Weihnachtsfest in der geteilten und noch unerfüllten Hoffnung auf das Sichtbarwerden des kommenden Friedefürst in seinem Werk.
Der Tochter Zion Freude zu bringen und Jerusalem ein Jauchzen sind Aufgabe und Werk derer, die in Christus den Friedenskönig erkennen.
Frohe palästinensische Weihnachten wünscht Amer Zahr bei Twitter und schreibt
nur zur Erinnerung:
Weihnachten ist ein palästinensischer Feiertag, an dem der Geburtstag eines Palästinensers gefeiert wird, der gegen die Besatzung in Palästina gekämpft hat.
Nur zur Erinnerung: Jesus war Jude. Das Land, in dem er lebte, hieß Judäa, bis die römischen Besatzer es viele Jahre nach seinem Tod in Palästina umbenannten, um jede Erinnerung an Juden zu tilgen. Jesus hat nie gegen die römische Besatzung gekämpft, obwohl viele seiner jüdischen Brüder das später taten.
Palästinensische Christen in Betlehem feiern – davon abgesehen – sicher „palästinensische Weihnachten“, wie es in unserem Kulturkreis ein „deutsches Weihnachtsfest“ gibt. In beiden Völkern werden die Christen mehr und mehr zur Minderheit. Freilich ist dieser Prozess in Betlehem auf andere und dramatische Weise sehr weit fortgeschritten.
Auf weniger als 12 Prozent ist seit den 1950er Jahren mit über 80 Prozent Anteil die palästinensische christliche Bevölkerung in Betlehem geschrumpft. Darüber schreibt Bradley Martin in dem Beitrag „Weihnachten in Bethlehem: Wo waren die palästinensischen Christen?“ Eine deutsche Übersetzung seines Artikels findest du hier:
Zwei Jahre nach Erscheinen des Artikels ist die Situation in der Stadt infolge des Coronavirus dramatisch geworden. Das zweite Jahr in Folge muss Betlehem, normalerweise ein Anziehungspunkt für Christen aus aller Welt, mit einer Weihnachtszeit rechnen, in der es kaum Touristen gibt. Im Jahr 2019 kamen fast 1,5 Millionen Besucher in die Stadt, was nach offiziellen Angaben einen Rekord darstellte. Infolge des derzeitigen Einreiseverbotes von Ausländern nach Israel ist die Zahl völlig eingebrochen; es bleibt lediglich der Inlandstourismus. Ein Ladenbesitzer sagte:
Es wäre besser, wenn ich meinen Laden einfach schließen würde. Im Moment gebe ich alles Geld aus allein um die Stromrechnungen zu bezahlen.
Mehr zur aktuellen Lage in Israel und im Westjordanland kannst du im neuen Podcast von ahavta - Begegnungen hören. Dort spreche ich mit Joram Oppenheimer über seine Sicht auf die Region und den Staat Israel. Heute erscheint die zweite Folge. Du findest sie in fast allen Kanälen, die Podcasts verbreiten.
Die genannte Verbundenheit mit dem jüdischen Volk zu stärken, gelingt sicherlich bei der Lektüre der Ausschnitte aus 364 jüdischen Autobiographien, die Evelyn Adunka versammelt hat in ihrem Buch „Meine jüdischen Autobiographien. Eine Leseverführung und subjektive Auswahl“. Es ist im Herbst im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft erschienen.
Der COMPASS-Infodienst stellt den Band vor:
Ich wünsche dir einen ruhigen 4. Advent und ein frohes Christfest und grüße dich
herzlich, dein Ricklef
PS: Freitag um 14 Uhr spricht Rabbiner Dr. Jehoschua Ahrens das „Wort zum Schabbat“. Und am 4. Adventssonntag um 17 Uhr heißt es wieder „Sonntags in Jerusalem“ mit Johannes Gerloff. Du kannst beide Male live dabei sein: