ahavta - begegnungen legt Tefillin
„Was hast du auf dem Herzen?“ So fragst du jemanden, der mit einem Anliegen oder Wunsch zu dir kommt. Fragst du das aber einen Juden, wenn er werktags das Morgengebet spricht, so wird er dir antworten: Tefillin.
Was er damit meint, darum soll es heute gehen. Danke, dass du meinen Brief an dich geöffnet hast!
Nicht mit Geheimtinte habe ich geschrieben
Nämlich noch mehr, jedoch nur für diejenigen, denen meine Zeilen etwas wert sind. Nämlich ein Zeichen der Unterstützung. Wenn du dazu gehören willst, kannst du in dieser Woche in ahavta+ trifft den früheren Mossad-Chef lesen, hören und sehen
Auszüge aus einem Aufsehen erregenden Interview mit Yossi Cohen, dem früheren Leiter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad,
den neuen israelische Ministerpräsident Naftali Bennett vorgestellt,
„Was ist eigentlich ein Rabbiner?“ aus der Videothek des Judentums,
„Wie ich als Muslim zum Antisemiten erzogen wurde“
wie sich Ben Salomo seinem „Deduschka“ verpflichtet.
„Es seien diese Worte auf deinem Herzen”
Der für Jüdinnen und Juden vielleicht wichtigste Abschnitt der Tora ist das Höre, Israel, der HErr, unser Gott, der HErr ist einzig in 5. Mose 6,4. Der Aufforderung folgt das Gebot den HErrn, deinen Gott, (zu) lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und deinem ganzen Vermögen. (Vers 5)
„Und worin besteht die Liebe?“, fragt der mittelalterliche Kommentator Raschi und sieht die Antwort im folgenden Vers 6: Es seien diese Worte, die ich dir heute gebiete, auf deinem Herzen.
Nicht einfach zu Herzen sollen die Worte genommen werden, sondern auf dem Herzen sein. Also sichtbar. Man könnte sagen, zur Tat sollen sie werden. Das auch. Aber zunächst ganz wörtlich: Du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, zum Merkzeichen sollen sie sein zwischen deinen Augen. (Vers 8) Noch einmal Raschi:
Binde sie zum Zeichen auf deinen Arm, das sind die Tefillin auf dem Arm. Und sie seien zum Gedenken auf deinem Haupte, das sind die Tefillin auf dem Kopfe.
Tefillin, das sind die jüdischen Gebetsriemen. Der Brauch, die Gebetsriemen zu legen, ist vielleicht so alt wie die biblischen Verse, die sie begründen. In der Gemeinde von Qumran waren sie gebräuchlich, aber auch im Neuen Testament sind sie durch Matthäus 23,5 belegt. Altertümlich wirkt der Brauch tatsächlich auf den Außenstehenden.
Tefillin sind Fitness-Tracker für die Seele
Für Rabbi Jonathan Sacks (sein Andenken werde zum Segen) sind die Gebetsriemen freilich gar nicht altertümlich, sondern modern wie ein Fitness-Tracker.
Der „Fitness-Tracker, den man am Handgelenk trägt, soll dir sagen, wie viele Schritte du heute gemacht hast, wie schnell deine Herzfrequenz ist und wie weit du noch davon entfernt bist, all das Gewicht zu verlieren, von dem du sagtest, dass du es verlieren würdest. (…)
Vor einigen Monaten habe ich mir einen Fitness-Tracker gekauft. Es gibt Zeiten, da verbringe ich Tag für Tag am Schreibtisch. Ein modernes Mantra sagt: Sitzen ist das neue Rauchen. Es ist schlecht für dich. (Der Fitness-Tracker) macht mir ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht genug trainiert habe. Und so gehe ich heute viel mehr spazieren als früher, was sowohl der Seele als auch dem Körper gut tut, denn beim Gehen hat man Zeit, die Aussicht zu genießen. (…)
Aber was mich wirklich überraschte, war die plötzliche Erkenntnis, dass diese ultraneuen Geräte denen ähneln, die jüdische Männer seit dreitausend Jahren tragen. Wir nennen sie Tefillin, Phylakterien, Lederriemen mit Behältnissen mit biblischen Versen, die wir beim Beten als Arm- und Stirnbänder tragen. Sie hindern uns nicht unbedingt daran, etwas Falsches zu tun, aber sie geben uns dann ein schlechtes Gewissen. Sie erinnern uns daran, was wir in der Hektik des Alltags leicht vergessen können: Wie sehr wir dankbar sein müssen, wie sehr andere Menschen unsere Liebe brauchen, und wie falsch falsch ist, selbst dann, wenn niemand anders es gesehen hat. Also Danke für diese neue Technologie, die uns an etwas sehr Altes erinnert, nämlich dass Gebet, Meditation und Ritual Fitness-Tracker für die Seele sind.
Kabelsalat und Kontroverse
Deutschlandfunk Kultur brachte am 4. Juni diesen Beitrag von Jens Rosbach über Tefillin:
„externe Festplatte, könnte man denken…“
Auch Gott legt Tefillin
So sagen es jedenfalls die Lehrer im Talmud:
Rabbi Awin bar Rabbi Adda sagte im Namen von Rabbi Jizchak: Woher weiß ich, dass der Heilige, gepriesen sei er, Tefillin anlegt? Aus Jesaja 62,8: Der HErr hat bei seiner Rechten geschworen und bei seinem mächtigen Arm. „Bei seiner Rechten“ – das ist die Tora. „Bei seinem mächtigen Arm“ – das sind die Tefillin.
Was steht in den Tefillin des Herrn der Welt geschrieben? Rabbi Chijja bar Awin sagte: Wer ist wie dein Volk Israel ein einziges Volk auf Erden? (1. Chronik 17,21).
Der Heilige, gelobt sei er, sprach zu Israel: Ihr habt mich als einzigen Herrscher auf der Welt anerkannt, weil ihr sprecht: Höre, Israel, der HErr, unser Gott, der HErr ist einzig. (5. Mose 6,4) So werde ich euch desgleichen behandeln, wie es heißt: Wer ist wie dein Volk Israel ein einziges Volk auf Erden?
Ohne dieser einzigartigen Beziehung Israels zu Gott irgendetwas wegzunehmen oder abzumarkten, können Christinnen und Christen sich durch Jesus Christus darin einbeziehen lassen – etwa über Jesu Nennung des Höre, Israel als „höchstes Gebot“ in Markus 12,29. Ihre Tefillin wird er vor seinem HErrn und Vater dazu stellvertretend anlegen…
meint und hofft mit herzlichen Grüßen
Dein Ricklef