ahavta news plus | rabbinischer blick auf das christentum
Als Mitglied von ahavta news plus siehst du heute exklusiv die Aufzeichnung meines Gespräches mit Landesrabbiner Alexander Nachama.
In der vergangenen Woche hast du das Büchlein „Juden und Christen“ von Schalom Ben-Chorin erhalten. Er ist einer der Wegbereiter einer „Heimholung Jesu in das Judentum“. Diese versuchte vor allem im liberalen Judentum Jesus als Juden neu zu entdecken und wahrzunehmen. So erfolgreich diese Suchbewegung war – denn was sonst war Jesus von Nazaret, wenn nicht Jude –, so endete sie zwangsläufig am Bekenntnis zu Jesus als auferweckter Christus bzw. Messias.
Rabbiner Dr. Jehoschua Ahrens meint in seinem dir ebenfalls in der letzten Woche zugänglich gemachten Beitrag „Romantische Mysterienreligion“: Je mehr Jesus vom liberalen Judentum als jüdischer Mensch gesehen und „vereinnahmt“ wurde, desto weniger sei diesem eine „theologische Dimension seiner Person für Nichtjuden“ zu entwickeln möglich gewesen – denn dieser Jude endete am Kreuz: Er verschied.
„Das orthodoxe Judentum hingegen respektierte das Christentum als gleichberechtigte Religion“ und konnte „Jesus eine theologische Bedeutung als Heilsbringer für die Völker ein(räumen)“. „Durch ihre Lebensweise im Einklang mit der Torah“ fürchteten, so Ahrens, orthodoxe Rabbiner keine Konkurrenz des Christentums. Wahrzunehmen, „Christen teilen sogar grundlegende Werte mit dem Judentum“, bildete für sie daher kein Hindernis.
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama und Rabbiner Prof. Dr. Dr. Walter Homolka haben – ebenfalls in der katholischen Herder Korrespondenz nun heftig widersprochen: „Für orthodoxe Juden ist das Christentum weiterhin Götzendienst“. Du kannst ihren Beitrag nun ebenfalls lesen.
Das Missverständnis bzw. der Punkt, an dem Nachama/Homolka an Ahrens vorbei schreiben, ist meines Erachtens:
Zweifellos gilt für orthodoxe Juden, „dass die Anbetung des Jesus von Nazareth als einer Manifestation oder eines Bestandteils dieses (sc. des Schöpfer- und Väter-)Gottes das darstellt, was das jüdische Gesetz und die Theologie avodah zarah oder fremde Anbetung (Götzendienst) nennen – zumindest, wenn sie von einem Juden ausgeübt wird.“ (Rabbiner David Berger, zitiert von Nachama/Homolka). Doch solange und soweit es nicht um einen jüdischen Stellenwert von Jesus (den „Juden Jesus“ des liberalen Judentums) geht, kann orthodoxes Judentum durchaus dem Christentum eine Bedeutung als „Partner in der Erlösung der Welt, auf Basis einer gemeinsamen moralischen Wertvorstellung“ (Jehoschua Ahrens) einräumen.
Insofern gibt es also bereits die von Nachama und Homolka eingeforderte jüdische „Orthodoxie, die mit Pluralismus umgehen kann“.
Mir ist bewusst, dass es nicht einfach ist, die Debatte in der Herder Korrespondenz nachzuvollziehen. Ich mute es dir zu. Denn wer hat behauptet, dass Judentum zu verstehen, ein einfacher Weg sei?
Leichter zu lesen ist zweifellos der Beitrag, den Landesrabbiner Alexander Nachama aktuell nicht nur zum derzeitigen Wochenabschnitt Acharej Mot, sondern auch zur Bedeutung der Coronavirus-Pandemie für jüdische Gottesdienste geschrieben hat. Begleitend empfehle ich dir das Wort zum Wochenabschnitt von Rabbiner Dr. Walter Rothschild bei ahavta - Begegnungen sowie mein Gespräch über Pikuach Nefesch mit dem Landesrabbiner.
Die Tora weist darauf hin, dass beim Gottesdienst Gefahren zu vermeiden sind.
Dir wünsche ich, dass du allen Gefahren durch den Virus aus dem Weg zu gehen vermagst. Stay safe, stay sane.
Herzlich, Dein Ricklef