ahavta+ || auf schmalem Grat
Die schlimmste Welle des Antisemitismus seit 1945 und ein starkes Band zwischen Juden und Christen
Niemals in meinem Leben hatte ich so sehr den Eindruck, dass Entscheidungszeit ist, wie jetzt. Simchat Tora 5784 bedeutet für die gesamte Welt etwas Neues, das sich nicht einfach wieder auflösen wird. Auf der einen Seite kommen noch immer Nachrichten aus dem finsteren Tal der Todesschatten im Gaza-Gürtel. Die in jeder Hinsicht unvollständige Geschichte der 12-jährigen Li’el Chezroni gehört dazu. Von dem Mädchen berichte ich dir heute.
Auf der anderen Seite gibt es jetzt – im Vergleich zu den vergangenen Jahrhunderten – fast so etwas wie ein Wunder in den jüdisch-christlichen, genauer den jüdisch-katholischen Beziehungen – jedenfalls eine Einladung, sich gemeinsam zu lagern auf grünen Auen der Verbundenheit. Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (World Jewish Congress), überreichte Papst Franziskus am 19. Oktober 2023 im Vatikan ein von Vertretern der weltweiten Judenheit aus mehr als hundert Ländern unterzeichnetes Dokument. Für Deutschland steht der Name von Dr. Josef Schuster als Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vizepräsidenten des WJC darunter.
Kischrenu – unsere Bindungen ist der Text überschrieben. Und es ist kaum zu glauben, aber neben dem inneren Band, das das Judentum in all seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen zusammenhält, und der Einbindung in die ganze Menschheit spricht Kischrenu auch von „unserem Band mit der katholischen Kirche“. Daraus entwickelt das Dokument ein „Band mit der Zukunft“, indem Kischrenu sich als die jüdische Entsprechung bzw. Ergänzung zu Nostra Aetate, der katholischen Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils anbietet.
Auf die Seite des finsteren Tals gehört, dass noch immer 238 Geiseln, vom Baby bis zum hochbetagten Menschen, in der Hand der Hamas sind, ohne dass das Rote Kreuz oder irgendjemand Zugang zu ihnen hätte. Wenn es ein inneres Band gibt, dass die Israelis derzeit vereint und zusammenhält, dann ist es der Wunsch, nein, die gemeinsame Anstrengung, diese Gefangenen lebend nach Israel zurückzubringen. Davon zeige ich dir ein Beispiel.
Diese Not des jüdischen Volkes bedeutet sogleich die erste Bewährungsprobe für Kischrenu. Denn am vergangenen Sonntag haben fünf Erstunterzeichner einen Offenen Brief an Seine Heiligkeit, Papst Franziskus, und an die Gläubigen der katholischen Kirche verfasst, in welchem sie die Kirche dringlich um Unterstützung bitten, sich uns im Gedenken an die Opfer des Massakers vom 7. Oktober anzuschließen, für die Freilassung der Entführten und Geiseln einzutreten und die Verletzlichkeit der jüdischen Gemeinschaft in diesem Moment anzuerkennen.
Bis zum 14. November hatten bereits 367 Rabbinerinnen und Rabbiner, Lehrer und Gelehrte, Jüdinnen und Juden den Brief mitunterzeichnet und sich seinem Aufruf angeschlossen. Welche Wirkung wird dieser in diesem Umfang geschichtlich einmalige Hilferuf an die Kirche haben?
Beide genannten jüdischen Dokumente findest du erstmalig in deutscher (nicht autorisierter) Übersetzung bei ahavta - Begegnungen.
Schalom für Israel, Freiheit für seine Gefangenen aus den Händen der Hamas erhofft
dein Ricklef Münnich
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Li’el Chezroni
Li’el wurde 12 Jahre alt. Sie wurde am 7. Oktober 2023 im Kibbuz Be’eri ermordet. Am Mittwoch erst, 38 Tage später, fand eine Abschiedszeremonie für sie statt. Es handelte sich nicht um eine Beerdigung, denn es gibt keinen Körper des Mädchens. Es blieb nichts von ihr. Sie teilt damit das Schicksal von Millionen Jüdinnen und Juden in der Schoa, von denen häufig nicht einmal der Name blieb. Möge Gott sie im Schoß Abrahams trösten!
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