Zum letzten Mal in diesem Jahr Gedanken zum Lichterfest. Sie kommen von Yuval Lapide.
Chanukka sameach!
„Licht und Freude und Wonne und Ehre war den Juden gegeben“ (Ester 8,16).
Das heutige jüdische Chanukka-Fest wird in der talmudisch-rabbinischen Literatur auch als das Fest der Lichter bezeichnet, weil während der acht Tage in jedem jüdischen Haus die brennenden Lichter des Chanukka-Leuchters mit ihrer reichen und großen Symbolik im Vordergrund stehen. Betrachten wir das hebräische Wort Licht, Or, in seinem großen biblischen (Tora-)Zusammenhang, so entdecken wir eine Fülle von Erwähnungen, die viel über seine theologische Bedeutung aussagen. Gleich zu Beginn des Schöpfungsprozesses im ersten Kapitel spricht der Schöpfer Adonaj selbst dieses Wort fünfmal aus (Verse 3–5.16–18). Das erste Schöpfungselement, das der „Hausherr“ erschafft, ist das Licht – „Gott sprach: ‚Es werde Licht‘ (nicht: es werde – Konjunktiv, den die hebräische Sprache nicht kennt), und es wurde Licht“.
Die chassidisch-rabbinische Weisheit lehrt, dass die gesamte Schöpfung unter dem Primat des spirituellen Lichts steht – die gesamte Schöpfung basiert auf spirituellem Licht, das die Dunkelheit der anfänglichen Unordnung (tohu wawohu) vertreiben muss! Deshalb werden am ersten Schöpfungstag auch nicht gleichzeitig die lichttragenden Himmelskörper erschaffen, denn das materielle Licht von Sonne, Mond und Sternen ist von untergeordneter Bedeutung. Die ordnende Kraft des geistigen Lichtes in Gestalt des Tages und seiner Zurücknahme in der Nacht ist am ersten Tag von zentraler Bedeutung. „Und Gott sah, dass das Licht gut war, und schied das Licht von der Finsternis“. Adonai selbst bewertet das Licht als gut und unterscheidet deutlich zwischen seinem „Aus-Strahlen“ und seiner Abwesenheit in der Nacht. Der Chassidismus lehrt, dass der Mensch als Partner des Schöpfers berufen ist, seinerseits immer wieder in den fortschreitenden Schöpfungsprozess Jehi Or, „Es wird Licht werden“, hineinzurufen. Es ist seine Berufung, sein göttlicher „Ruf“, die in seiner jeweiligen Generation noch vorherrschende geistige Unordnung, die Zerstörungswut des „umnachteten“ Menschen und die „blinde“ menschliche Gier nach falschen Idealen zu erhellen, zu erleuchten, zu be-lichten!
Nicht nur zur Feier der „Tempelweihe“ im Tempel zu Jeruschalajim (Joh. 10,22), nicht nur im ganzen Land der Tora Israels, wo seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. und zur Zeit Jesu/Jehoschuas Juden und „messianische Juden“ (die ersten jesusgläubigen „Christen“) allabendlich die Leuchter entzündeten, gilt dieser Auftrag. In jeder Generation und an jedem „judaisierten“ Ort gilt diese rabbinische Tora-Verpflichtung, um das unerwartete „Wunder von Chanukka“ zu beleben und zu aktualisieren.
Rabbiner Samson Raphael Hirsch, der legendäre orthodoxe Rabbiner Frankfurts, übersetzt den hebräischen Grundtext, den allabendlichen liturgischen Gesang Al Hanissim, Für die Wunder, mit folgenden eindringlichen Worten:
Für die Wunder, für die Befreiung, für die Allmachttaten, für die Siege und für die Kämpfe, die Du unseren Vätern in jenen Tagen zu dieser Zeit (!) bewirkt hast.
Das „Wunder von Chanukka“ kann und muss hier und heute geschehen – im jüdischen Neuseeland wie im jüdischen Alaska, im jüdischen Frankfurt am Main wie in der jüdischen Metropole Jeruschalajim – es hängt von jedem einzelnen Juden ab, ob das innere Licht und das äußere Licht der spirituellen „Wiedereinweihung“ des inneren wie des äußeren Tempels „brennt“. Vers 18 im 25. Kapitel des Buches Exodus sagt im Zusammenhang mit der Errichtung eines Tempels für Adonai unmissverständlich: „Sie (die Kinder Israels) werden mir (Adonai) einen Tempel, ein Heiligtum errichten, damit ich in ihnen (!), in ihrer Mitte, Wohnung einnehme.“
Die heilige jüdische Geschichte (Theopolitik nach Pinchas Lapide) mit ihren unsterblichen Botschaften muss in jeder Generation neu belebt und „entzündet“ werden.
Yuval Lapide