der ahavta adventskalender • 23
Das 23. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach
Die Adventszeit ist für Kinder ein „Warten aufs Christkind“, für Erwachsene ein Warten auf das sichtbar Werden des Messias. Das Neue Testament betont eins ums andere Mal, dass dieses Warten unbedingt ein Wachen ist.
Wachen bedeutet, vorbereitet zu sein, wie Matthäus mit dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen einschärft (25,1–13): Nur fünf von ihnen sind bereit für das Kommen und werden schließlich erkannt. Die Schlussfolgerung des Evangelisten: Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.
Bereits zuvor hatte Matthäus gemahnt (24,42–44): Darum wachet; denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Das aber bedenkt: Wenn der Hausherr wüsste, in welcher Nachtwache der Dieb kommt, wäre er wachsam und ließe nicht zu, dass in sein Haus eingebrochen wird.
Der Apostel Paulus verwendet dieses Motiv bereits einige Jahrzehnte zuvor in seinem 1. Brief an die Gemeinde in Thessaloniki (5,2): Ihr wisst ja selber genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.
In der Offenbarung des Johannes sind es himmlische Stimmen, die lehren:
Wenn du nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. (3,3)
Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt gehe und man seine Blöße sehe. (16,15)
In der späten Schrift des Neuen Testaments 2. Petrus wird das Ausbleiben des Herrn erklärt (Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; vielmehr hat er Geduld mit euch), doch es bleibt dabei: Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb. (3,10)
Auf rabbinischer Seite wird in der gleichen Epoche der Satz überliefert (Sanhedrin 97a):
Drei Dinge kommen, wenn man sich ihrer nicht versieht:
der Messias, eine verlorene Sache und ein Skorpion.
Was bedeutet es heute – 1900 Jahre später – aufmerksam auf das Kommen des Tages des Herrn zu sein, zu wachen und sich vorzubereiten? Macht das überhaupt noch jemand?
In der Kirche hat man die Dringlichkeit des Aufrufes, wach zu sein und zu bleiben, über die Jahrhunderte verwandelt in eine moralische Qualität. Nach einer populären Deutung des 12. Jahrhunderts symbolisieren die klugen Jungfrauen des Gleichnisses im Matthäusevangelium, die sich rechtzeitig mit Öl für ihre Öllampen versorgt haben, die christliche Seele, die sich in fünffacher Weise tugendhaft Gott zuwendet; die törichten Jungfrauen, die zwar Öllampen haben, aber kein Öl, symbolisieren fünf Arten der fleischlichen Lust und Verdammnis.
Sichtbar gemacht wurde diese Deutung im 13. und 14. Jahrhundert an Kirchenportalen, so z. B. in Magdeburg, in Freiburg sowie in Erfurt.
Die Darstellung der Klugen und Törichten Jungfrauen am Paradiesportal des Magdeburger Doms ist beeinflusst vom Figurenpaar der Ecclesia und Synagoga, die an den Stirnseiten des Doppelportals des Straßburger Münsters stehen. Diese beiden Statuen stellen symbolisch Christentum und Judentum dar. Die Synagoge wird als verstoßene Braut betrachtet, während Ecclesia als neue Braut Christi angesehen wird.
Dass die Charaktere der Klugen und der Törichten Jungfrauen im Mittelalter Kirche und Synagoge versinnbildlichen, erkennt man am Erfurter „Jungfrauenportal“, das etwa 80 Jahre später als das Magdeburger geschaffen wurde. Hier am Erfurter Dom wurde die Ecclesia direkt links neben die Klugen Jungfrauen und die Synagoga rechts neben die Törichten Jungfrauen als jeweils sechste Figur gestellt.
Wachsamkeit heute bedeutet für mich, den Einfluss der Verwandlung der neutestamentlichen Botschaft in eine antijüdische kirchliche Lehre zu erkennen. Nur wenn das gelingt, kann die jüdische Botschaft des Jeschua HaMaschiach neu vernommen werden.