der ahavta adventskalender • 3
Das 3. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach
In diesem Jahr enthält der ahavta adventskalender 24 Zitate, die mir etwas bedeuten. Von Jüdinnen und Juden, die etwas weiterzugeben haben.
Das heutige Wort kommt von Martin Buber sel.A. (1878–1965), jüdischer Philosoph und Theologe, bekannt für seine dialogische Philosophie und das Werk „Ich und Du“.
In seiner Schrift „Die Frage an den Einzelnen“ von 1936 formuliert Buber:

Anschluss oder Anruf: Zwei Wege der Zugehörigkeit in zerrissenen Zeiten
Die moderne politische Landschaft gleicht häufig einem Schlachtfeld der Identitäten. Wir erleben heute, was der Philosoph Martin Buber in seiner hellsichtigen Kritik bereits 1936 beobachtete: Die Gesellschaft zerfällt in hermetische Lager, und die Zugehörigkeit zu diesen Lagern ersetzt zunehmend das eigene Gewissen. In Martin Bubers Diagnose spiegelt sich eine spirituelle Krise wider, der ich ein heilendes Gegenbild aus der rabbinisch-jüdischen Tradition entgegensetzen möchte: das Suchen eines Lehrers.
Die Flucht in das Kollektiv: Der Anschluss an die Gruppe
Bubers Beobachtung zielt auf den Kern dessen, was wir heute als Gruppenpolarisierung und „Bubble-Denken“ erleben. Wenn politische Entscheidung nur noch Anschluss bedeutet, geben wir unsere Verantwortung an der Garderobe des Kollektivs ab.
Der Anschluss an eine Gruppe – sei es eine Partei, eine ideologische Strömung oder eine digitale Echokammer – verspricht Sicherheit. Man muss nicht mehr selbst ringen, denn die Gruppe hat die Antworten bereits fertig formuliert.
Das Gegenüber wird nicht mehr als einzigartiges Individuum wahrgenommen, sondern nur noch als Freund oder Feind, als „wir“ oder „die anderen“. Die Gruppe fordert Konformität, nicht Dialog. Wer sich anschließt, übernimmt ein Paket an Meinungen und schottet sich gegen alles ab, was dieses Weltbild stört.
Diese Form der Zugehörigkeit ist statisch. Sie verlangt keine innere Wandlung, sondern nur äußere Loyalität. Das Individuum erstarrt in der Sicherheit der Masse, statt lebendig im „Zwischen“ zu bleiben.
Der Weg der Weisheit: Einen Lehrer suchen
Demgegenüber steht ein uraltes Prinzip der rabbinischen Ethik (Pirké Awot 1:6): „Mach dir einen Lehrer und erwirb dir einen Freund“ (Assé lecha raw u-kné lecha chawer). Dieses Modell der Zugehörigkeit unterscheidet sich fundamental vom politischen Anschluss:
Einen Lehrer zu suchen („Mache dir einen Lehrer“) ist ein aktiver, schöpferischer Akt. Es geht nicht darum, sich einer Doktrin zu unterwerfen, sondern sich in eine Beziehung zu begeben, die herausfordert. Ein Lehrer ist keine Echokammer, die das eigene Ego bestätigt, sondern ein Spiegel, der Wachstum fordert.
Während die Gruppe oft Uniformität verlangt, zielt das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf individuelle Reifung. In der jüdischen Tradition ist Lernen immer dialogisch (Chawruta). Man lernt nicht, um Recht zu haben, sondern um die Wahrheit in ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen.
Wer einen Lehrer sucht, übernimmt Verantwortung für die eigene Seele. Man gibt sein Gewissen nicht ab, sondern schärft es im Austausch mit einer Autorität, die man freiwillig gewählt hat, um von ihr zu lernen.
Vom Anschluss zur Anbindung
In einer Zeit, in der gesellschaftliche Risse immer tiefer werden, weil sich Menschen in Gruppen verschanzen und den Dialog verweigern, bietet das rabbinische Modell einen Ausweg. Der bloße Anschluss an eine Gruppe führt zur Stagnation und Feindseligkeit. Er ist eine politische Entscheidung ohne spirituellen Kern.
Das Suchen eines Lehrers hingegen ist der Weg der Demut und des Wachstums. Es lehrt uns, dass wahre Zugehörigkeit nicht durch das Ausgrenzen anderer entsteht, sondern durch das gemeinsame Ringen um Wahrheit. Wir sollten aufhören, uns nur politisch anzuschließen, und wieder anfangen, spirituell zu suchen. Denn wer nur einer Gruppe folgt, marschiert oft blind. Wer aber einem Lehrer folgt, lernt, seinen eigenen Weg sehend zu gehen. Bevorzugen wir also die Weisheit der Beziehung vor der Sicherheit der Masse!
Meditationsfrage:
Wen oder was habe ich mir heute zum ‚Lehrer‘ gemacht? Habe ich mich blind einer Meinung angeschlossen, die mir bequem erschien, oder habe ich aktiv nach einer Begegnung gesucht, die meinen Horizont erweitert und mich in die Verantwortung zwingt?
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