der ahavta adventskalender • 4
Das 4. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach
In diesem Jahr enthält der ahavta adventskalender 24 Zitate, die mir etwas bedeuten. Von Jüdinnen und Juden, die etwas weiterzugeben haben.
Heute lasse ich Abraham Joshua Heschel (1907–1972) sprechen. Er war Rabbiner, Schriftgelehrter und Religionsphilosoph, polnischer Herkunft, lebte ab 1927 in Deutschland und wirkte seit 1940 in den USA.
1955 schrieb Heschel in God in Search of Man: A Philosophy of Judaism:
Die vergessene Botschaft: Ein Aufruf zur Neuerinnerung
In der Tora heißt es, der Mensch sei aus dem Staub der Erde gemacht und zugleich ein Hauch Gottes. So sind wir Bürger zweier Welten – des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Mit seiner Warnung „Die Menschheit ist ein Bote, welcher die Nachricht vergessen hat“ erweist sich Abraham Joshua Heschel als Prophet der Moderne.
Seine Diagnose ist heute, in einer Ära der Hypervernetzung und künstlichen Intelligenz, schmerzhafter denn je. Heschel schrieb in einer Zeit, als der Mensch begann, den Kosmos technisch zu erobern. Heute haben wir den Kosmos in unsere Hosentasche verbannt. Wir starren auf Bildschirme, die uns alles zeigen, aber nichts offenbaren. Wir sind Boten, die ständig kommunizieren – Mails, Nachrichten, Posts – und doch den eigentlichen Inhalt unseres Daseins, die ursprüngliche Nachricht, verloren haben.
Der Verlust ist schleichend, aber total. Wir haben die Frage gegen die Antwort getauscht. Wir wollen Erklärungen statt Erfahrungen. Wir haben die Welt entzaubert, alles vermessen und in Algorithmen übersetzt. Wir sind so beschäftigt damit, das Leben zu managen, dass wir vergessen haben, es zu heiligen. Wir haben vergessen, dass wir nicht nur biologische Zufälle sind, sondern Antworten auf einen göttlichen Anruf. So ist das Staunen darüber verloren gegangen.
Die Heilung beginnt im Innehalten. Die „Neuerinnerung“ ist kein intellektueller Akt, sondern eine spirituelle Umkehr. Wir müssen die radikale Ehrfurcht wiedererlernen. Heschel lehrt, dass Ehrfurcht (Jira) mehr ist als ein Gefühl; sie ist der Weg zur Weisheit. Er meint das plötzliche Verstummen vor der Erhabenheit, das Anerkennen eines Geheimnisses, das größer ist als unser Verstand.
Um die Nachricht wiederzufinden, müssen wir aufhören, nur zu senden. Wir müssen wieder empfangen.
Geh hinaus. Sieh einen Baum nicht als Holz, sondern als Zeugen der Schöpfung. Sieh im Gesicht des Anderen nicht den Fremden oder einen Konkurrenten, sondern eine Spur Gottes. Die Nachricht, die wir vergessen haben, lautet nicht „Erfolg“ oder „Macht“. Sie lautet: Du bist gewollt. Du bist gesehen. Du bist Partner am Werk der Schöpfung.
Heilung geschieht, wenn wir uns wieder trauen, vor dem Unbeschreiblichen zu stehen und zu staunen. Wenn wir zulassen, dass die Welt sich in Geheimnis hüllt. Dann erinnern wir uns vielleicht daran, dass wir nicht Besitzer dieser Welt sind, sondern ihre Hüter – Boten einer Liebe, die älter ist als unsere Zeit.
Lass uns den Umschlag wieder öffnen! Die Nachricht wartet darin.
Meditationsfrage:
In welchem Moment des heutigen Tages habe ich aufgehört, etwas ‚erreichen‘ oder ‚erklären‘ zu wollen, und habe stattdessen einfach nur zugelassen, dass mich etwas berührt?
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