der ahavta adventskalender • 5
Die 5. Tür im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach
Abraham J. Heschel schreibt in seinem Buch Israel. Echo der Ewigkeit (Neukirchen 1988) über das Warten (Seite 60–62):
Warten
Warten heißt immer bereit sein, ein Leben der Erwartung zu leben. Um warten zu können, muss man sich auf die Ankunft vorbereiten. Warten auf Ihn wird zum Warten mit Ihm, Teilnahme am Kommen.
Warten ist wesentlich für den biblischen Glauben. Der Herr »wirkt für die, die auf Ihn harren« (Jes 64,4).
Der Mensch ist nicht allein in seinem Warten. »…Der Herr wartet, dass Er dir gnädig sei…, gesegnet alle, die auf Ihn harren« (Jes 30,18). »Ich will auf den Herrn harren, der sein Antlitz vor dem Haus Jakobs verbirgt, und ich will auf Ihn hoffen« (Jes 8,17).
Denn noch wartet die Offenbarung auf ihre Zeit; sie drängt zum Ende – sie trügt nicht. Wenn sie scheinbar verzieht, harre auf sie; sie wird gewiss kommen, sie wird nicht ausbleiben (Hab 2,3). »Gesegnet ist, wer wartet…« (Dan 12,12).
Warten bedeutete nicht einen Zustand der Ruhe oder Tatenlosigkeit, ein Aufschieben des Handelns auf später; es bedeutete vielmehr, dass der Erfolg aller menschlichen Bemühungen um die Erlösung ohne Gottes Handeln zufällig und ungewiss blieb. Während die Welt Israel verlästerte, hielt es an seinem Traum fest. Der religiöse Zionismus behauptete, dass Israel durch seine Initiative der Macht der Erlösung den Weg bereiten muss, dass Warten nicht von Pionierarbeit getrennt werden darf.
Was vom Juden verlangt wird, ist mehr als Gewissheit, mehr als tatenloses Warten; Ausschau halten, Erwartung, Warten auf die Erlösung wird von ihm verlangt. Wenn der Mensch in der zukünftigen Welt vor dem Gericht erscheinen muss, wird er gefragt werden, so lernen wir: Hast du inbrünstig auf die Erlösung gehofft?1
»Bereitet euch für die Erlösung!«2 Jüdischer Glaube ist ein Glaube der Erwartung.
Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir, Herr, höre meine Stimme… Ich hoffe auf Dich, o Herr, meine Seele harrt, und ich hoffe auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen, mehr als die Wächter auf den Morgen (Ps 130,1-2.5-6).
»Die Propheten erkannten: Die Geschichte ist ein Alptraum. Es gibt mehr Skandale, mehr Korruption, als die Philosophie sich träumen lässt. Es wäre lästerlich zu meinen, dass das, was wir erleben, das Ziel von Gottes Schöpfung ist. Es ist in sich selbst böse, den Zustand des Bösen als unvermeidlich oder endgültig hinzunehmen. Andere mögen sich mit Verbesserungen zufrieden geben; die Propheten bestehen auf Erlösung. Die Art, wie der Mensch handelt, ist eine Schande und muss nicht immer so weitergehen. Gleichzeitig mit der Verdammung verkünden die Propheten eine Verheißung. Das steinerne Herz wird weggenommen werden, ein fleischernes Herz wird statt dessen gegeben (Ez 11,19). Selbst das Wesen der Tiere wird sich wandeln, damit es der Herrlichkeit des neuen Äons angepasst ist. Das Ende der Tage wird das Ende der Angst sein, das Ende des Krieges; Götzendienst wird verschwinden, Kenntnis des Willens Gottes wird herrschen.
Die innere Geschichte Israels ist eine Geschichte des Wartens auf Gott, des Wartens auf Seine Ankunft. So gewiss sich Israel der Realität des Gelobten Landes ist, so gewiss ist es sich des Kommens des „verheißenen Tages“. Es lebt von der Verheißung des „Tages des Herrn“, eines Gerichtstages, dem die Erlösung folgt, wenn das Böse vernichtet wird und eine Zeit der Herrlichkeit anbricht.«3
Gläubige Juden bekennen täglich: »Ich glaube fest an das Kommen des Messias; und wenn er auch verzieht, warte ich doch täglich auf sein Kommen.«
Schabbat 31a.
Genesis Rabba 98,2.
Abraham J. Heschel, The Prophets, New York 1962, S. 181.
Das ist Advent: Warten auf DEN, der kommt.