ahavta - Begegnungen

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der ahavta adventskalender • 6

Das 6. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach

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Ricklef Münnich
Dez. 06, 2025
∙ Bezahlt

In diesem Jahr enthält der ahavta adventskalender 24 Zitate, die mir etwas bedeuten. Von Jüdinnen und Juden, die etwas weiterzugeben haben.

Heute spricht Franz Rosenzweig (1886–1929) sein Wort. Nein, er sprach es nicht, sondern „diktierte“ es mit den Augen. Er litt seit 1922 an amyotropher Lateralsklerose (ALS) und war in seinen letzten Jahren vollständig gelähmt und konnte nur noch durch Augenblinzeln kommunizieren.

Franz Rosenzweig als junger Mann (Foto: Universitätsbibliothek Kassel)

Das Zitat wurde erstmals in der von Nahum N. Glatzer herausgegebenen Biographie Franz Rosenzweig: His Life and Thought (1953) dokumentiert.​ Glatzer beschreibt, wie Rosenzweig seiner Frau Edith die letzte, unvollendete Mitteilung ihres Mannes an Martin Buber Buchstabe für Buchstabe auf einer Alphabettafel weitergab.

In der Stille der Nacht, wenn das laute Ich schweigt und die Welt verstummt, öffnet sich ein Raum für das Unerwartete. Franz Rosenzweig erfuhr die tiefste Wahrheit als Geschenk des Schlafs, jenes Zustands vollkommener Passivität, in dem wir aufhören zu greifen und beginnen zu empfangen. Lass dich in diese Stille fallen. Gib den Anspruch auf, alles verstehen und kontrollieren zu müssen. In dieser wehrlosen Offenheit kann die göttliche Anrede dein Herz erreichen.

Diese Anrede ist kein Donnerwort, keine abstrakte Lehre. Sie ist ein Flüstern, eine persönliche Einladung, die allein dir gilt: „Liebe mich!” Dieses Wort ist der Ursprung einer persönlichen Beziehung, ein Dialog, der die Grundlage deiner Existenz wird. Gott wird zum nahen, liebenden Gesprächspartner. So erwächst Wahrheit nicht aus dem Denken, sondern aus der gelebten Beziehung.

Und doch leben wir alle auf eine letzte, alles bündelnde Einsicht hin, die „Pointe aller Pointen“. Rosenzweigs Satz bleibt freilich unvollendet. Die Pointe bleibt verborgen, ein Geheimnis, das vielleicht erst am Ende enthüllt wird.

Darin liegt der entscheidende Hinweis: Es geht nicht darum, die Pointe zu kennen, sondern darum, vertrauensvoll im unvollendeten Satz unseres Lebens zu verweilen. Die letzte Wahrheit ist kein Besitz, den wir erringen können, sondern eine Gnade, die uns im Loslassen geschenkt wird. Unsere Aufgabe ist es lediglich, im Schlaf des Herzens wach zu bleiben für die Gabe, die uns der Herr vielleicht verleihen wird.

Meditationsfrage:

Wie kann ich lernen, dem unvollendeten Satz meines eigenen Lebens zu vertrauen und Frieden darin zu finden, dass die letzte, entscheidende „Pointe“ verborgen bleibt und sich vielleicht erst als Geschenk am Ende enthüllt?


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