der ahavta adventskalender • 9
Das 9. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jeschua haMaschiach
In diesem Jahr enthält der ahavta adventskalender 24 Zitate, die mir etwas bedeuten. Von Jüdinnen und Juden, die etwas weiterzugeben haben.
Jacob Taubes (1923–1987) war ein jüdischer Religionsphilosoph und Judaist, der sich Zeit seines Lebens als Grenzgänger zwischen den Konfessionen und Weltanschauungen bewegte.
Als brillanter, oft provokanter Denker erkannte er im Apostel Paulus nicht den Gründer einer dogmatischen Kirche, sondern einen revolutionären jüdischen Messianisten. Seine Deutung des Römerbriefs sprengt die üblichen theologischen Kategorien und liest ihn als radikale Absage an weltliche Herrschaftsstrukturen. In seinen legendären Heidelberger Vorlesungen kurz vor seinem Tod hinterließ er ein spirituelles Testament, das die politische Sprengkraft der biblischen Botschaft neu entfachte.

Wenn Jacob Taubes den Römerbrief aufschlägt, hört er Kampflärm. Für ihn ist Paulus der Urheber einer „politischen Kampfansage an die Caesaren“. Denn wer Jesus als den einzigen Kyrios (Herrn) bekennt, entzieht dem Kaiser in Rom – und jeder totalen weltlichen Macht – die Legitimität. Diese explosive Kraft ist dem heutigen Christentum weitgehend abhandengekommen. Taubes mahnt uns mit fast brutaler Klarheit: „Zeit heißt Frist.“ Wer den Glauben ohne dieses Bewusstsein des Endes, ohne das Drängen der Zeit auf ihren Ablauf hin denkt, verkennt den Kern des Evangeliums. Doch wir leben heute oft so, als hätten wir ewig Zeit, behaglich eingerichtet in einer Welt, die nach der Botschaft des Neuen Testaments eigentlich vergehen soll.
Die große Tragik liegt darin, dass die Kirche im Lauf der Geschichte selbst zur Macht geworden ist. Anstatt der Stachel im Fleisch der Herrschenden zu bleiben, ging sie das Bündnis mit den „neuen Caesaren“ ein – sei es der Staat, der bequeme Zeitgeist oder die ökonomische Macht. Wo die Kirche selbst zur Institution der Ordnung wurde, verlor sie ihre prophetische Kraft, die Ordnung infrage zu stellen. Wir haben die brennende, apokalyptische Erwartung einer echten Wende gegen die Sicherheit institutioneller Relevanz getauscht und dabei das Wesentliche verloren: die heilige Unruhe.
Das ist keine abstrakte Theorie, sondern auch eine existenzielle Anfrage. Lebst du noch in der bequemen Illusion eines „Immer-Weiter-So“, oder spürst du die „Frist“, die jede deiner Handlungen in ein neues, dringliches Licht taucht?
Meditationsfrage:
In welchem Bereich meines Lebens habe ich mich zu sehr mit den herrschenden Mächten und Sicherheiten arrangiert, anstatt die mir geschenkte Zeit als eine befristete Chance zur radikalen Veränderung zu begreifen?
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