Lag BaOmer || der Tag „dazwischen“
Lag BaOmer ist der freudige Tag inmitten einer Trauerzeit. Der Name bedeutet „33. Tag in der Omer-Zählung“.
Lag BaOmer ist der freudige Tag inmitten einer Trauerzeit. Der Name bedeutet „33. Tag in der Omer-Zählung“. Zwischen Pessach-Ende und dem Wochenfest Schawuot werden die Tage nämlich gezählt – dem Gebot in 3. Mose 23,15-16 folgend:
Danach sollt ihr zählen vom Tage nach dem Sabbat, da ihr die Garbe als Schwingopfer darbrachtet, sieben ganze Wochen. Bis zu dem Tag nach dem siebenten Sabbat, nämlich fünfzig Tage, sollt ihr zählen und dann ein neues Speisopfer dem HERRN opfern.
Die hier genannten „50 Tage“ begegnen übrigens wieder in dem christlichen Fest „Pfingsten“. Das Wort ist abgeleitet vom griechischen pentekoste, was 50 heißt.
Zum Gebot, das Omer im Tempel „am Tag nach dem Schabbat“ darzubringen (3. Mose 23,11) und von da an zu zählen, wie es in 5. Mose 16,9 geboten ist (Sieben Wochen sollst du zählen und damit anfangen, wenn man zuerst die Sichel an die Halme legt) habe ich ausführlicher geschrieben. Denn die Deutung des Tags nach dem Schabbat unterschied Sadduzäer und Pharisäer. Lies hier: Eine große Sache.
Freudenfeuer an Lag BaOmer
Nicht nur bei orthodoxen Juden in Israel sind die Feuer zu Beginn von Lag BaOmer eine beliebte Tradition. Lagerfeuer sind einfach etwas Schönes. Wie oft bei Bräuchen liegt die Entstehung im Dunkeln. Aber natürlich gibt es Erklärungen…
Zunächst einmal: Warum ist die Omer-Zeit zwischen Pessach und Schawuot eine traurige? Im Talmud-Traktat Jewamot 62b heißt es:
Man erzählt, dass Rabbi Akiva zwölftausend Schülerpaare hatte, … und alle starben sie in einer Zeitperiode, weil sie einander keine Ehrung erwiesen … Es wird gelehrt: Alle starben sie zwischen dem Pessachfeste und dem Wochenfeste.
Rabbi Akiva war einer der größten, wenn nicht der bedeutendste Lehrer in den Jahrzehnten nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70. Der Verlust seiner Schüler macht die Tage im Omer auch heute zu einer Trauerzeit. Es ist daher nicht üblich, im Omer Hochzeiten zu feiern. Ausdruck der Trauerzeit ist auch, sich die Haare nicht zu schneiden und den Bart zu kürzen.
Es wird überliefert, dass die zweimal 12.000 Schüler Rabbi Akivas an einer Seuche starben. Am 33. Tag nach Pessach hörte diese Seuche auf zu wüten. Deshalb ist Lag BaOmer die Ausnahme in der Omer-Zeit und ein freudiger Tag, an dem nun gerade geheiratet wird.
Von einer solch gewaltigen Seuche im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ist sonst nichts bekannt. Wohl aber, dass Rabbi Akiva ein Gefolgsmann von Schimon Bar Kochba gewesen ist, der den zweiten Krieg gegen die römische Besatzungsmacht im Land Israel angeführt hat. Dieser endete mit einer schrecklichen Niederlage der Juden und Rabbi Akiva selbst als jüdischer Märtyrer, nämlich Zeuge für Gott, unter römischer Folter.
So mag es Selbstzensur zum eigenen Schutz innerhalb der jüdischen Überlieferung sein, dass sie nicht von der „Seuche der Römer“ spricht, also dem Tod der Schüler Rabbi Akivas im Krieg, sondern eine Krankheit daraus machte.
Zugleich ist Lag BaOmer der Tradition zufolge der Todestag von Rabbi Schimon Bar Jochai – auch er ein Schüler von Rabbi Akiva. Das Gedenken an den Lehrer nimmt jedoch dem Tag nicht dessen freudigen Charakter. Denn zwar soll Schimon bar Jochai ebenfalls von den Römern zum Tode verurteilt worden sein, doch entging er dem Verhängnis, indem er sich mit seinem Sohn 13 Jahre lang in einer Höhle versteckt hielt und dort die Tora studierte. Manche sagen, in dieser Zeit sei das Hauptwerk der Kabbala, der Sohar, entstanden. Tatsächlich ist diese Textschöpfung zwar ein Produkt des späten 13. Jahrhunderts, aber gewann von Anfang an ein Ansehen durch die Zuschreibung an Schimon bar Jochai als Autor.
Auf dem Berg Meron in Galiläa, in der Nähe von Safed, liegt die Grabstätte von Rabbi Schimon bar Jochai. Sie ist an Lag BaOmer das Ziel vieler Tausend orthodoxer und chassidischer Juden. Im Jahr 2021 entstand ein solches Gedränge, dass 45 Menschen bei einer Massenpanik zu Tode kamen.
Muttertag, Pandemie und das Ende der Seuche
Im Jahr der Schließungen im öffentlichen Leben 2020 aufgrund der Corona-Virus-Pandemie sprach ich mit Rabbiner Andrew Steiman über Lag BaOmer als freudigen Tag aufgrund des Endes der Seuche unter den Schülern Rabbi Akivas.
Zwei Tage zuvor wurde Muttertag gefeiert. In Deutschland wurde der Muttertag 1922/23 vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber mit Plakaten „Ehret die Mutter“ etabliert. Im Gespräch ging es natürlich um die jüdische Mutter.
Wer die sprichwörtliche jiddische Mame kennt, kann sogar, sagt der Rabbiner, religionsgeschichtliche Fragen klären und zum Beispiel im Handumdrehen den Beweis führen, dass Jesus Jude war: „Erstens: Er lebte noch bei seinen Eltern, als er schon dreißig war. Zweitens: Er glaubte, seine Mutter sei Jungfrau. Drittens: Seine Mutter glaubte, er sei Gott.“ 😉