Oppenheimers Überblick || Die deutsche Sprache und ich
Diesmal ohne Politik, dafür sehr persönlich: Wie Frankenwein, Kreuzworträtsel und eine Reise zu zweit mein Deutsch formten.
Diesmal wird es persönlich. Sehr persönlich sogar. Ich verspreche, es geht null um Politik. Es geht um meine Deutschkenntnisse und wie Frankenwein und meine damalige Freundin (und seit 40 Jahren meine Ehefrau) dazu beigetragen haben.
Als mir Ricklef vor einigen Wochen den Vorschlag machte, bei „ahavta“ zu schreiben, sagte ich direkt zu. Ich dachte und hoffte, dass es mir Spaß machen würde. Da meine Muttersprache Hebräisch ist und ich nie in der Schule Deutsch gelernt habe, ist es für mich eine kleine Herausforderung, auf Deutsch zu schreiben, und das macht mir Spaß. Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich: Wieso kann er Deutsch schreiben? Mündlich war Deutsch meine erste Sprache, meine Muttersprache. Meine beiden Eltern waren „urechte Jekkes”, Juden, die wegen des Krieges Deutschland verlassen mussten. Beide emigrierten nach Israel und zu Hause in Haifa wurde nur Deutsch gesprochen.
Als kleines Kind, so bis zum Kindergartenalter, sprach man mit mir nur Deutsch. Bis etwa zum vierten Lebensjahr konnte ich kaum „Iwrit” (Hebräisch) sprechen. Aber das „Iwrit” lernen ging schnell, und ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich im Kindergarten wegen mangelnder Sprachkenntnisse Schwierigkeiten hatte.
Nur für den Fall, dass es jemanden interessiert: Mein Vater stammte aus Lebach im Saarland und meine Mutter aus Dortmund.
Wie gesagt, zu Hause sprachen wir unter uns nur Deutsch. Lesen lernte ich durch deutsche Zeitschriften, die es ständig zu Hause gab. Mal waren es der „Spiegel“, der „Stern“ oder die „Bunte“, mal „Käseblättchen“ wie „die neue Frau“ oder die „Aktuelle“, um nur einige zu erwähnen, die meine Mutter von Freunden und Bekannten bekam. Das war die „Lektüre“. Aber für mich war es doch irgendwie spannend. Die Fotos von schönen Frauen, gut angezogenen Männern, schönen Kochrezepten usw. faszinierten den kleinen Jungen, der nicht alles lesen konnte, aber von diesen Zeitschriften doch gereizt wurde. Etwas später, so mit 10 oder 12 Jahren, fing ich an, auch den Inhalt zu lesen, zuerst nur die Überschriften und dann langsam ganze Artikel. Ich war so stolz, als ich das erste Mal einen ganzen Artikel lesen konnte. Das hat mir echt Spaß gemacht. Meine Eltern konnten nicht richtig Hebräisch lesen und die einzige israelische Zeitung, die zu Hause abonniert wurde, war die englischsprachige „Jerusalem Post“.
Der nächste Schritt kam, als ich an der Uni studierte. Zunächst studierte ich an der Universität in Haifa und später an der LMU in München. In Haifa habe ich Deutsch studiert, und das war die beste Note, die ich je bekommen habe. Ich weiß nicht mehr, ob es eine 9 oder eine glatte 10 war, aber ich musste mich kaum anstrengen, um diese wundervolle Note zu bekommen. Schön. Da kam die Deutschlehrerin zu mir und fragte, ob ich nicht ein Sommerseminar in Deutschland machen möchte. Sie gab mir eine Broschüre vom DAAD. Die Idee gefiel mir sehr gut, und so fand ich mich im Sommer für drei Wochen in Würzburg wieder. Das war das erste und bisher auch das letzte Mal, dass ich die deutsche Sprache systematisch lernte und mich dabei auch anstrengte. Würzburg war sehr schön, und die fränkischen Weine waren frisch, kalt und sehr gut. So kann man Sprachen lernen. Am Ende des Seminars bestand ich die Sprachprüfung, wodurch sich mir die Türen der Universitäten in Deutschland öffneten.
Jetzt noch eine kleine Nebengeschichte: Am Ende dieses Seminars kam meine damalige Freundin nach Deutschland und wir reisten etwa zwei Wochen durch Europa. Bis heute sind wir verheiratet – ganz schlimm diese Reise…
Weiter: Nun wurde es ernst, denn ich wollte in Deutschland weiterstudieren. Zu meinem Glück fand damals in Haifa ein internationaler Kongress zum Thema Politikwissenschaft statt, bei dem Prof. Kurt Sontheimer von der LMU München zu den Gästen zählte. Ich habe mich ihm ein wenig „aufgedrängt” und in dem kurzen Gespräch, das wir führten, hat er mir ein Studium bei ihm in München angeboten. Mehr brauchte ich nicht. München wurde mein Ziel.
Ein Jahr später begann ich das Studium in München. Wir, ein junges Ehepaar, zogen nach München. Da wir wenig Geld hatten und München schon damals sehr teuer war, fanden wir eine kleine Wohnung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, einem kleinen, sympathischen Ort in der Nähe der S-Bahn nach München. Jetzt noch ein kurzes Wort über meine Frau. Als sie nach Deutschland kam, konnte sie kein Wort Deutsch. Null. Aber sie wollte die Sprache unbedingt beherrschen. Was tut eine junge Frau, die es wissen will? Sie saß ununterbrochen vor dem Fernseher und fragte ständig, was dort gesagt wurde. Ich hatte viel Geduld. Dazu kam noch jede Woche die „Bild am Sonntag“, weil es darin viele Kochrezepte und „gute“ Vorschläge für den Haushalt gab.
Das Wichtigste an der BamS war für meine Frau das wöchentliche Kreuzworträtsel, in das sie sich regelrecht hineingekniet hat. So bekam ich mitten in der Nacht Ellenbogen in die Rippen, begleitet von Fragen wie „König von Bayern, 6 Buchstaben, mit L und W?” oder „Zufluss der Donau, 3 Buchstaben, endet mit N?”. Mit viel Geduld, Wörterbuch, Lexikon und Atlas löste sie das Rätsel im Laufe der Woche mehr oder weniger. Ich musste übersetzen, aber nach und nach hat es geklappt und sie konnte immer mehr verstehen. Auch das ist eine Methode.
Jetzt reichte mein Sprachniveau zwar nicht mehr ganz, aber mit Mühe, Not und der Hilfe von Kollegen konnte ich die Magisterarbeit schreiben und das Studium mit einer guten Note abschließen. Da waren meine Eltern richtig stolz.
Das ist also die Geschichte, weshalb ich als Israeli Deutsch kann und wie Frankenwein und meine damalige Freundin dazu beigetragen haben.
Joram