Oppenheimers Überblick || Israels Reben: Eine Reise durch die Weingeschichte
Israels Wein ist heute weltbekannt, doch seine Geschichte ist eine von Blüte, Verfall und Wiedergeburt. Eine Spurensuche von biblischen Zeiten bis ins 19. Jahrhundert.
Schalom allerseits!
Wir trinken heute israelische Weine, ohne darüber nachzudenken. Wir wissen, dass es eine große Auswahl guter Weine gibt, viele verschiedene Rebsorten und etwa 350 Weingüter. Aber das war nicht immer so. Die Weinindustrie in Israel ist sehr jung und sucht immer noch ihren Weg. Die Geschichte des Weins reicht tief in die Vergangenheit des Landes zurück. Der Weinbau spielt seit jeher eine bedeutende Rolle in der Landwirtschaft und Kultur der Region.
Antike Wurzeln und biblische Bedeutung
Bereits in der Bronzezeit existierten im Land Israel der Anbau von Weinreben und die Produktion von Wein. Die Weinrebe zählte zu den sieben landestypischen Gewächsen und wurde von den Bewohnern über die Jahrhunderte kultiviert. Dank optimaler klimatischer Bedingungen avancierte sie zu einem Symbol des Landes. Ihre Bedeutung wird bereits in biblischen Zeiten deutlich, als die von den Kundschaftern gebrachten Trauben als Beweis für den Reichtum des Landes dienten, wie es im Buch Numeri beschrieben steht.
Archäologische Funde zeugen von einer umfangreichen Weinkultur. Zahlreiche Weinpressen, die auf ausgedehnte Weinberge hinweisen, sind über das ganze Land verteilt. Darunter finden sich eine Presse aus hellenistischer Zeit im Norden von Tel Aviv, eine byzantinische in Lod und eine weitere in Rischon LeZion. Der einstöckige Baustil mit Flachdächern ermöglichte es den Bewohnern, eine Weinrebe zu pflanzen, die sich über eine auf dem Dach errichtete Laube rankte und Schatten spendete. Sie lieferte Früchte für die Herstellung von Hausweinen. Besonders im Bergland entwickelte sich der Weinanbau zu einer zentralen landwirtschaftlichen Tätigkeit, wovon Tausende erhaltene Weinpressen in unterschiedlichen Formen zeugen.
Blütezeit und Export in der byzantinischen Ära
Forscher gehen heute davon aus, dass Wein während der byzantinischen Zeit eines der wichtigsten Erzeugnisse in Israel und im gesamten Nahen Osten war. Zeitgenössische Schriftsteller beschreiben Aschkelon und Gaza als bedeutende Handelszentren, die Wein in das gesamte Reich exportierten. Der Kirchenvater Hieronymus schrieb, dass die Landschaft des damaligen Israels von Weinbergen geprägt war. Es ist wahrscheinlich, dass die Kirche, die über weite Ländereien verfügte, ein bedeutender Weinproduzent war. Archäologische Belege hierfür wurden in den Überresten von Weinpressen in Horvat Heshak bei Akko und Horvat Beit Levia nahe Beit Guvrin gefunden.
Der Dichter Corippus beschrieb die Weine aus dem Land Israel im 6. Jahrhundert n. Chr. als weiß, leicht und süß. Auch talmudische Quellen aus derselben Zeit erwähnen Dutzende Weinsorten. Während dieser Periode entwickelte sich sogar im Negev eine Weinindustrie. Reste von Weinbergen, die auf Sturzfluten und Oberflächenwasser basierten, sowie aufwendige Weinpressanlagen in Städten wie Avdat und Shivta zeugen davon. In Yavne wurde zudem eine großflächige Weinfabrik aus dieser Zeit freigelegt.
Niedergang und Wandel
Nach der muslimischen Eroberung im 7. Jahrhundert ging die Weinproduktion aufgrund der islamischen Ablehnung des Weinkonsums stark zurück. Viele Weinberge wurden gerodet und durch Olivenhaine ersetzt. Dennoch wurde die Weinherstellung in geringerem Umfang bis in die mamlukische Zeit fortgesetzt. In bestimmten Gebieten, vor allem um Hebron, entwickelte sich eine Industrie für Traubensirup als alkoholfreie Alternative.
Die Wiedergeburt im 19. Jahrhundert
Mit der Rückkehr jüdischer Siedler ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der Weinanbau eine Renaissance. Er wurde zu einem wichtigen landwirtschaftlichen Zweig in den Kolonien des Barons Rothschild und der Palestine Jewish Colonization Association (PICA). Die treibende Kraft war dabei weniger die wirtschaftliche Notwendigkeit als vielmehr die symbolische Bedeutung. Der Weinbau half, eine Verbindung zwischen dem wohlhabenden europäischen Judentum und der zionistischen Vision von der „Blüte der Wüste“ herzustellen.
1848 gründete Jitzchak Schor, Sohn chassidischer Einwanderer, die erste Weinkellerei in Jerusalem, aus der später weitere Weingüter hervorgingen.
1870 begann mit der Gründung von Mikwe Israel, der ältesten Landwirtschaftsschule im jüdischen Palästina, der organisierte Anbau von Reben und die Weinproduktion.
1887 wurde in Rischon LeZion eine Kellerei gegründet, die lange Zeit die größte des Landes war und maßgeblich zur Entwicklung der Kolonie beitrug. Diese Zeit war jedoch auch von Auseinandersetzungen zwischen den Verwaltern des Barons und den Siedlern geprägt, die in einer regelrechten Revolte gipfelten. Ein weiteres Weingut nach französischem Vorbild entstand in Sichron Ja’akow.
Von der Eröffnung dieser Weingüter bis zum Ersten Weltkrieg war Wein das führende landwirtschaftliche Produkt der jüdischen Siedlung. Nach der Gründung des Staates Israel wurden die Rebflächen erweitert, bestehende Kellereien modernisiert und neue Weingüter in Binyamina, Petach Tikwa und Mikwe Israel gegründet.
Die moderne Entwicklung der israelischen Weinindustrie beleuchte ich im zweiten Teil dieser Kolumne.
Joram


