Oppenheimers Überblick || Verlorene Sicherheit
Zwei Jahre nach dem 7. Oktober leben viele Israelis in Angst. Sie verleugnen ihre Herkunft im Ausland und erkennen paradoxerweise, dass ihre umkämpfte Heimat der einzig sichere Ort für sie ist.
Schalom allerseits!
Seit genau zwei Jahren befindet sich Israel im Krieg. Es ist der längste Krieg in unserer Geschichte, obwohl unser Land schon mehrere Kriege und Militäroperationen erleben musste. In meiner Lebenszeit habe ich viel miterleben müssen: den Sechstagekrieg, den Jom-Kippur-Krieg, den Libanonkrieg, die erste und zweite Intifada, Raketenangriffe aus dem Irak, den Zweiten Libanonkrieg und unzählige „kleinere“ Operationen. All diese Ereignisse dienten dazu, die Menschen in Israel auf den Notstand vorzubereiten, und gaben uns Israelis eine Art psychischen Schutzschild. Wir lebten mit dem Bewusstsein, dass wir mit fast jeder Bedrohung leben können und dass eigentlich keine akute Gefahr besteht.
Und dann kam der 7. Oktober 2023 und änderte vieles. Das war ein harter Schlag. Es geht nicht nur um die hohe Zahl der ermordeten und verletzten Zivilisten auf unserer Seite. Hinzu kommt, dass mehr als 200 Menschen entführt und mit Gewalt nach Gaza verschleppt wurden.
Es war das erste Mal, dass israelisches Gebiet von Fremden erobert wurde und für einige Stunden unter fremder Gewalt stand. Zwar dauerte diese Gewalttat nur wenige Stunden, doch sie hatte eine starke Auswirkung, als eine bewaffnete und sehr brutale Gruppe die Stadt Sderot überrannte.
Mehrere Kibbuzim in der Nähe von Gaza wurden vollständig zerstört.
Viele Bewohner, darunter kleine Kinder, wurden auf grausame Weise ermordet. Frauen wurden vergewaltigt.
Und all das geschah, während das israelische Militär kaum reagieren konnte. Der Grund dafür ist bis heute unklar.
Dies ist der Grund für die israelische Gegenreaktion, die bis heute andauert. Unser Ziel ist es, die Hamas-Organisation vollständig zu vernichten. Ist dieses Ziel realistisch? Ich habe meine Zweifel, jedoch finde ich das Ziel angesichts der schweren Verbrechen legitim.
Doch nicht nur unser Stolz und Selbstbewusstsein wurden verletzt, auch unsere Stellung in der Welt hat sich stark verschlechtert. Es ist auch nicht hilfreich, dass auf einmal viele Länder für die Anerkennung eines palästinensischen Staates stimmen, ohne zu begreifen, dass sie damit dem Terror nachgeben. Ich behaupte nicht, dass alle israelischen Maßnahmen richtig sind. Doch einfach Israel zu kritisieren und die Aufhebung der Kriegsmaßnahmen zu fordern, ohne die Verantwortung der Hamas anzuerkennen, ist eine zu einfache und unausgewogene Lösung.
Es ist jedoch noch etwas anderes geschehen, das nur uns Israelis bewusst ist.
Aufgrund des starken Hasses auf Israel und Juden in vielen Teilen der Welt beginnen viele von uns im Ausland unsere israelische Herkunft zu verstecken.
Das gelingt uns zwar nicht besonders gut, aber viele Israelis erzählen beispielsweise im Taxi, sie kämen aus Malta oder Zypern.
Sie sprechen absichtlich schlecht Englisch und hoffen, dass der Fahrer – meistens ein Immigrant aus einem uns unbekannten Herkunftsland – nichts merkt. Selbst wenn er Europäer ist, können wir nicht wissen, ob er uns gegenüber neutral ist. Um weitere politische Gespräche zu verhindern, erzählen wir dann „Geschichten”.
Wir schämen uns nicht für unser Israelisch-Sein. Ganz und gar nicht.
Wir haben Angst.
Die Gewalt gegen Israelis und Juden wird immer schlimmer.
Der Taxifahrer, der Hotelbesitzer oder die Leute im Restaurant kennen oft die Nuancen nicht. Sie verstehen die Situation nicht genau, haben aber etwas gehört und wollen uns erklären, wie es laufen soll.
Darum sagen wir lieber, wir kämen aus Malta – oder etwas Ähnliches.
Das ist traurig.
Das ist peinlich.
Aber wahr.
Wir sehen in fast jedem Fremden eine gewisse Bedrohung. Natürlich ist uns klar, dass nicht jeder uns bedroht, aber man kann nie wissen und ist lieber auf der sicheren Seite, als sich mit Gefahr zu beschäftigen. So verhalten wir uns heutzutage, wenn wir aus Israel hinauswollen.
Während wir früher von einer kleinen Wohnung in Griechenland oder Zypern träumten, die uns im Kriegsfall Sicherheit bieten sollte, ist uns heute klar, dass Israel für uns der einzige sichere Ort ist. Ich vermute, dass jetzt viele Juden aus aller Welt nach Israel kommen werden, weil es trotz aller Schwierigkeiten unser Land ist und weil wir hier weiter für unsere Unabhängigkeit kämpfen. Es ist vielleicht nicht ideal, doch derzeit ist es die beste Lösung für uns.
Joram