Oppenheimers Überblick || 1
Joram Oppenheimer stellt sich vor und startet seine neue Kolumne mit einem dramatischen Bericht über zwei Wochen iranischer Raketenangriffe auf Israel im Juni 2025.
Schalom allerseits!
Mein Name ist Joram Oppenheimer, und ich werde in den nächsten Wochen oder Monaten versuchen, meine Eindrücke über die Lage in Israel, in Deutschland oder anderswo auf der Welt zu vermitteln.
Als Ricklef mir anbot, eine Kolumne hier bei ahavta zu schreiben, musste ich nicht lange darüber nachdenken und sagte schnell zu. Ich finde, jede Gelegenheit über Israel zu berichten, sollte man ergreifen. Ich denke, dies ist eine gute Plattform, um die sehr komplexe und besondere Lage Israels zu erörtern. Aber nicht nur Israel wird hier besprochen. Ich möchte auch über andere Themen meine Meinung teilen und hoffe, dass es gut ankommt.
Noch ein kurzes Wort zu mir: Ich wurde in Haifa, Israel, geboren, bin dort aufgewachsen und lebe in Herzlia (etwa 12 km nördlich von Tel Aviv). Außerdem habe ich ca. 11 Jahre in Deutschland (München und Berlin) gelebt. Wenn ihr mehr über mich erfahren möchtet, habt noch etwas Geduld. Ich werde im Laufe der nächsten Posts mehr über mich erzählen.
Also, das Vorspiel war lang genug – jetzt mal zur Sache. Die letzten zwei Wochen waren sogar für Israels Verhältnisse extrem.
Seit dem 13. Juni hat der Iran etwa 533 ballistische Raketen in 42 Angriffen auf Israel abgefeuert. 28 Menschen wurden durch Einschläge in Be'er Scheva, Bat Yam, Ramat Gan, Rischon LeZion, Petach Tikwa, Haifa, Bnei Brak und Tamra getötet. Das sind erschreckende Zahlen. Die Angriffe kamen zu unterschiedlichsten Uhrzeiten, meistens mitten in der Nacht, als die verängstigte Bevölkerung versuchte, zu schlafen. Fast jede Nacht wurden wir von Sirenen geweckt und mussten in den Bunker rennen.
Anfangs rannten wir direkt in den Bunker, doch nach einigen Tagen verbesserte sich das Warnsystem, und die ganze Bevölkerung bekam über das Handy ein lautes Warnsignal, das uns weckte und wie eine Vorwarnung funktionierte. Wir wussten, dass wir genügend Zeit hatten, um aufzustehen, kurz auf die Toilette zu gehen, schnell einen Kaffee zu kochen und auf die lauten Luftsirenen zu warten. Diese Prozedur dauerte etwa 5–10 Minuten, sodass wir rechtzeitig im Schutzraum saßen. So sah das Ritual aus.
So saßen wir im Bunker und warteten auf die Raketen mit der Hoffnung, dass sie uns nicht treffen würden. Nach kurzer Zeit war ein dumpfes Geräusch zu hören, von dem man annehmen konnte, dass eine Rakete nicht sehr weit entfernt eingeschlagen war. Gleichzeitig suchten wir nach den letzten Nachrichten auf dem Handy und interessierten uns für die folgenden Fragen: Wo ist die Rakete gefallen, gab es Opfer, und wie viele? Parallel fragte meine Frau über WhatsApp, ob alle Kinder und Enkelkinder in Sicherheit seien.
Nach weiteren 15–20 Minuten kam das Beruhigungssignal auf dem Handy, und wir durften zurück ins Bett. So ging es jede Nacht für etwa zwei Wochen, wobei die einzige Variable die Zeit des Raketenstarts war – zwischen neun Uhr abends und fünf oder sechs Uhr morgens.
Als wir das dumpfe Geräusch hörten, spielten wir noch ein paar Ratespiele:
Wie weit ist die Rakete von uns entfernt eingeschlagen?
Kam das Geräusch von einer iranischen Rakete oder einer unserer Luftverteidigungsraketen?
Die Antworten kamen relativ schnell über das Internet oder Fernsehen. Dann durften wir wiederholt versuchen, einzuschlafen, um den Rest der Nacht zu genießen. Mal gelang es, mal wälzte ich mich bis zum Morgen herum und dachte über alles nach.
Da kaum eine Rakete in unsere Gegend fiel, hatten wir es in Herzlia noch relativ gut. Eine Rakete traf den Rand der Stadt, aber glücklicherweise ohne Personenschäden. Jetzt denke mal kurz über die Bevölkerung von Tel Aviv nach, die mit den meisten Raketenangriffen zu kämpfen hatte. Du sitzt mitten in der Nacht im Bunker, hast keine Ahnung, wo die nächste Rakete fallen wird, und hoffst, dass sie dich nicht trifft. Ein äußerst beängstigendes Gefühl.
Der staatliche Entschädigungsfonds betreibt derzeit 140 Teams im ganzen Land. Bislang wurden 41.651 Anträge eingereicht, darunter 32.975 wegen Gebäudeschäden, 4.119 wegen Fahrzeugschäden und 4.456 wegen Schäden an Inventar und Ausrüstung. Wir rechnen mit rund 11.000 Israelis, deren Wohnungen unbewohnbar sind und die in Hotels oder anderen provisorischen Lösungen unterkommen müssen.
Und es geht trotzdem weiter. Schon an diesem Wochenende sind die Bars, Cafés und Restaurants voll. Man kann kaum einen Tisch in einem guten Restaurant bekommen, und die Menschen freuen sich wieder darauf, auszugehen und sich zu amüsieren. Die Israelis wollen trotz aller Schwierigkeiten das Leben genießen und das Beste aus der komplexen Lage machen.
Das war’s für heute.
Bis zum nächsten Mal
Joram Oppenheimer