Oppenheimers Überblick || 2
Da kann Joram Oppenheimer das elende Thema „Antisemitismus“ nicht vermeiden: Ein Judenhasser als Personenschützer von Charlotte Knobloch.
Schalom allerseits!
Über das alte und abgenutzte Thema des Antisemitismus wollte ich eigentlich zu allerletzt schreiben. Ganz ehrlich – ich habe genug davon. Genug davon, ständig zu jammern, wie sehr die Nichtjuden die Juden hassen. Vor allem, weil sich das Ganze in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ziemlich verändert hat.
Der klassische Antisemitismus, so wie man ihn früher kannte, spielt heute kaum noch eine Rolle in der deutschen Öffentlichkeit. Stattdessen kommt der meiste Hass, den wir Juden erleben, eher aus muslimisch geprägten Vierteln.
Der alte latente Judenhass? Der ist inzwischen eher ein Randthema. Und ehrlich gesagt – das ist auch gut so.
Und dann stieß ich auf einen Bericht auf einer israelischen Webseite, der mich erschütterte und mich doch dazu brachte, über Antisemitismus zu schreiben. Dem Bericht zufolge darf ein Polizist im Dienst bleiben, obwohl er sich über Jahre hinweg in privaten Chatnachrichten antisemitisch und rassistisch geäußert, mit Nazi-Codes unterschrieben und die Wiedererrichtung von Konzentrationslagern befürwortet hat. Dies entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem Urteil vom 19. Februar, das nun bekannt wurde.
Es handelt sich um Michael R., der zur Zeit der antisemitischen Äußerungen nicht etwa ein einfacher Polizist war, sondern als Personenschützer für die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, tätig war. Laut Gericht hatte er angedeutet, dass Knobloch „vergast bzw. in ein Konzentrationslager verbracht“ werden solle. Seine Entgleisungen basierten offenbar auf einem persönlichen Hass gegenüber der heute 92-jährigen Jüdin.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat die Kritik an seiner umstrittenen Entscheidung im Fall des ehemaligen Personenschützers von Charlotte Knobloch zurückgewiesen. Man sei nicht „auf dem rechten Auge blind“, teilte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mit. Solchen Mutmaßungen wolle man „mit Nachdruck entgegentreten“.
In einfachen Worten: Das Gericht ist einverstanden, dass dieser Mann weiterhin als Beamter in einer bayerischen Sicherheitsbehörde arbeitet.
Das sind die Tatsachen. Ein Antisemit als Staatsschützer – und nicht irgendwo im Hintergrund, sondern als Bodyguard einer symbolträchtigen Persönlichkeit. Einer 92-jährigen Dame, die ihr Leben dem Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde und Kultur in Deutschland gewidmet hat, genauer gesagt: in Bayern.
Zum Glück wurde der Mann nicht gewalttätig, und seine Taten blieben auf Worte beschränkt.
Diese Geschichte hat in mir Sorgen in mehrfacher Hinsicht geweckt:
Schon die Tatsache, dass ein solcher Mann im Staatsschutz eingestellt und akzeptiert wurde, zeigt, wie schwach die internen Sicherheitsmechanismen sind. In einer sicherheitsrelevanten Behörde dürfte jemand mit einem solchen Hintergrund und Gedankengut überhaupt nicht zugelassen werden.
Da frage ich mich: Wo bleibt die interne Aufklärung innerhalb der Polizei? Wie werden Menschen im modernen Deutschland erzogen? Was weiß ein durchschnittlicher Polizist über die Vergangenheit, über die NS-Zeit, über den Versuch, die Juden zu vernichten?
Wo waren seine Vorgesetzten? Wussten sie von seinem Verhalten?
Die vergleichsweise wenigen Juden, die in Deutschland leben, wünschen sich in erster Linie persönliche Sicherheit und die Freiheit, sich unbehelligt im öffentlichen Raum zu bewegen. Das ist die grundlegendste Forderung an die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat. Dass Nazis im Staatsschutz akzeptiert werden, ist erschreckend.
Ich verlange nicht, dass jeder Polizist eine umfassende Schulung über Demokratie und die Akzeptanz von Minderheiten erhält – aber das absolute Minimum muss sein, judenfeindliche Ideologien im öffentlichen Dienst nicht zu dulden.
Juden in ganz Europa leiden heute unter schweren Angriffen, die überwiegend von den Rändern muslimischer Gesellschaften ausgehen. Die Lage ist ohnehin schon angespannt und wenig einladend – Vorfälle wie der geschilderte verschärfen die Situation der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zusätzlich.
Es reicht (mir) für heute.
Bis zum nächsten Mal
Joram Oppenheimer