Oppenheimers Überblick || Jüdisches Leben unter Bedrohung
Antisemitische Gewalt gegen Juden und Israelis eskaliert weltweit dramatisch. Es zeigt sich ein besorgniserregendes Muster organisierter Feindseligkeit.
Schalom allerseits!
In den vergangenen Wochen und Monaten wurden Israelis im Ausland mehrfach gewaltsam angegriffen. Jüdische Zentren wurden zum Ziel von Demonstrationen und Gewalt. Juden fühlen sich weltweit zunehmend unsicher und stehen unter ständiger Bedrohung und Verfolgung. Dieses Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern weltweit zu beobachten.
Antisemitismus zeigt sich in Australien, den USA, Kanada, Großbritannien und vielen weiteren europäischen Ländern. Betroffen sind nicht nur ungebildete oder sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten, sondern vor allem auch Universitäten, Dozenten, Studierende und sogar führende Persönlichkeiten in der akademischen Welt.
Ein Beispiel ist die renommierte Harvard-Universität, die von einem jüdischen Studenten namens Segev verklagt wurde. Er beschrieb den Campus im Herbst 2023 als eine „außer Kontrolle geratene und feindselige Bildungsumgebung“, als pro-palästinensische Demonstranten gegen Israels Militäreinsätze im Gazastreifen protestierten. Laut den Angaben seiner Anwälte wurde Herr Segev am 18. Oktober 2023 von einem antisemitischen Mob körperlich angegriffen. Videoaufnahmen zeigen, wie ihn Dutzende fanatisierte Demonstranten umringen, nach ihm greifen, ihn schubsen und seinen Weg mit Kufiyas blockieren. Er versuchte zu fliehen und flehte sie an, ihn in Ruhe zu lassen. Während des Angriffs riefen sie ihm wiederholt „Schande!” ins Gesicht – einzig und allein, weil er Jude und Israeli ist.
Ein Blick nach Deutschland zeigt: Nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 stand die Solidarität Deutschlands mit Israel zunächst außer Frage. Das entsetzliche Verbrechen bestätigte Israels Recht, militärisch gegen die Hamas vorzugehen. Doch mit steigender Zahl ziviler palästinensischer Opfer verschärfte sich die Auseinandersetzung zwischen zwei Prinzipien: Israels Selbstverteidigungsrecht und das humanitäre Völkerrecht. Meinungsumfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Deutschen das israelische Vorgehen im Gazastreifen kritisch sieht. Auch innerhalb der deutschen Regierung gibt es Uneinigkeit: Die SPD fordert Sanktionen gegen Israel, während die Unionsparteien die Regierung Netanjahu weiterhin verteidigen.
Außenminister Johann Wadephul sendet widersprüchliche Signale: Einerseits kritisiert er Israels Kriegsführung, andererseits lehnt er Sanktionen ab. Besonders auffällig war der Fall, als Israel ein neues Verfahren zur Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen unter Ausschluss der UNO ankündigte.
In Australien kam es vor einigen Wochen zu einem erschütternden Vorfall: Während Jüdinnen und Juden in Melbourne den Schabbat begingen, wurden die Eingangstüren der 1870 gegründeten East Melbourne Hebrew Congregation, einer der ältesten Synagogen des Landes, in Brand gesteckt. Ein unbekannter Mann übergoss die Türen laut Polizeiangaben mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sie an. Rund 20 Gläubige konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Es gab keine Verletzten, doch der Schock sitzt tief. Die jüdische Gemeinde sprach von einem gezielten Hassverbrechen, das Angst und Wut ausgelöst hat.
Nur wenige Stunden zuvor wurde während einer pro-palästinensischen Demonstration in Melbourne das israelische Restaurant Miznon, das vom israelischen Starkoch Eyal Shani und seinem Partner Shahar Segal betrieben wird, gezielt verwüstet. Die Demonstranten riefen Parolen wie „Tod der IDF” (‚Tod der israelischen Armee‘), besprühten die Fassade mit Graffiti und beschädigten das Restaurant.
Diese beiden Vorfälle markieren eine Eskalation antisemitischer Tendenzen in Australien und sind Teil eines weltweiten Musters.
Auch in Berlin sahen sich dieselben Restaurantbetreiber gezwungen, die Eröffnung ihres neuen Lokals wegen massiven Drucks palästinensischer Gruppen zu verschieben.
In den letzten Monaten wurden junge israelische Touristen mehrfach angegriffen, etwa im bekannten Fall in Amsterdam im November 2024, als Maccabi-Tel-Aviv-Fußballfans von einem pro-palästinensischen Mob attackiert wurden. Ähnliche Vorfälle ereigneten sich auch in Spanien und Griechenland. Besonders erschreckend ist der jüngste Fall in Spanien, bei dem eine jüdische Reiseleiterin aus Frankreich von der Polizei auf brutale Weise verhaftet wurde – ihr angebliches „Vergehen“: Ihre Gruppe hatte auf Hebräisch gesungen, was laut einem spanischen Polizisten verboten sei.
Als Hintergrund für diese Angriffe wird häufig Israels Vorgehen im Gazastreifen genannt. Doch die Wahrheit ist differenzierter. Die Gewalt gegen Juden begann unmittelbar nach dem brutalen Angriff vom 7. Oktober 2023, zu einem Zeitpunkt, als Israel noch unter Schock stand und seine Toten zählte. Bereits Ende 2023 waren anti-israelische Demonstrationen an amerikanischen Universitäten von aggressivem und antisemitischem Ton geprägt.
Was ist also der eigentliche Auslöser dieser antisemitischen Brutalität?
Meine These: Sie hängt mit der wachsenden Zahl muslimischer Bevölkerungsgruppen im Westen zusammen, die zunehmend politischen und gesellschaftlichen Einfluss ausüben. Weltweit gibt es etwa 14–15 Millionen Juden (davon rund 7,25 Millionen in Israel) gegenüber etwa 1,5 Milliarden Muslimen. Das ermöglicht es, regelmäßig große Menschenmengen zu mobilisieren – bei Demonstrationen, in sozialen Netzwerken und politischen Kampagnen.
Ein Beispiel: Im Vereinigten Königreich leben rund 320.000 Juden gegenüber etwa vier Millionen Muslimen. In Frankreich sind es etwa 6 bis 6,8 Millionen Muslime gegenüber 440.000 bis 500.000 Juden. Gegen solche Zahlenverhältnisse können wir kaum etwas ausrichten.
An dieser Stelle höre ich schon manche sagen: „Aber Israels Politik – vor allem in Gaza – ist doch der Auslöser dieser Welle.” Das ist nur teilweise richtig. Auch wenn es Gründe für das Handeln Israels gibt, ist diese Politik nicht immer leicht zu verteidigen. Doch die anti-israelische und antisemitische Welle ist Ausdruck eines organisierten und gut finanzierten arabischen Hasses, der sich nicht auf politische Kritik beschränkt, sondern gezielt Israel und Juden weltweit angreift.
Soweit für heute… Ich hoffe, das nächste Mal etwas Fröhlicheres schreiben zu können.
Joram Oppenheimer