Oppenheimers Überblick || Zwischen Gebet und Gabel: Drei Wochen jüdischer Feiertagsgenuss
So fängt das jüdische Jahr gut an – Familienlogistik, Synagoge, Gefilte-Fish-Diplomatie, marokkanische Schärfe und Kinder, die vorm Dessert einschlafen.
Schalom allerseits!
Ein jüdischer Feiertag in Kürze:
Sie wollten uns auslöschen, aber sie haben es nicht geschafft. Also lasst uns essen!
In etwa zwei Wochen beginnt bei uns Juden die Feiertagssaison. Den Anfang macht Rosch Haschana, gefolgt von Jom Kippur. Danach kommen Sukkot und schließlich Simchat Tora.
Es sind etwa drei Wochen voller Feiertage, bei denen man sich gerade erst von einem Fest erholt hat, da steht auch schon das nächste an, dann noch eins und so weiter.
In dieser Zeit beschäftigen wir uns hauptsächlich mit zwei Dingen:
Die Gläubigen sind mit Gebeten beschäftigt und besuchen oft die Synagoge.
Aber alle Juden – ohne Ausnahme – sind mit Familientreffen beschäftigt.
Und was macht man bei Familientreffen?
Man isst. Man isst, bis man fast platzt.
Schon etwa zwei Monate vor den Feiertagen beginnen die Mütter, mit den Großmüttern Menüpläne zu schmieden. Rezepte werden ausgetauscht und folgenschwere Entscheidungen getroffen.
Wo finden die Festmahlzeiten statt? Wer ist Gastgeber? Wer besucht wen?
Wie sorgt man dafür, dass wirklich alle Kinder kommen, auch wenn jemand gerade im Ausland ist?
Und wie organisiert man die Feierlichkeiten, sodass niemand allein zu Hause bleibt und sich niemand ausgeschlossen oder verletzt fühlt?
Warum sollte sich jemand verletzt fühlen?
Gründe dafür gibt es viele. Lassen wir die Gefühle jedoch beiseite und kommen wir zur Sache: dem Essen und Trinken.
Das bekannteste Gericht heißt „Gefilte Fish“ und ist die hebräische Version von „gefülltem Fisch“.
Dabei handelt es sich um Fische, meistens Karpfen, die mit einer Farce aus ihrem eigenen Fleisch gefüllt sind. Die zitternde Masse liegt in Aspik, wobei eine Scheibe Möhre das Auge des Fisches bedeckt.
Diese osteuropäische Delikatesse hat ihren Weg nach Israel gefunden – und jede, die sich die Mühe macht, dieses Gericht zuzubereiten, ist fest davon überzeugt, dass ihre Version die beste ist.
Versuche mal, mit Großmüttern zu diskutieren, die ihre Delikatesse verteidigen – keine Chance!
Als Kind erinnere ich mich noch daran, dass die Großmütter ein paar Tage vor dem Essen ganze, lebendige Fische kauften. Diese wurden in eine Wanne gegeben, in der sie schwammen, bis mit dem Kochen begonnen wurde. Doch diesen Brauch gibt es heute nicht mehr.
Ein klarer Vorteil, den wir in Israel gegenüber fast jedem anderen Land haben, ist die Vielfalt. Juden kamen aus fast allen Teilen der Welt: Einige aus Westeuropa, andere aus Osteuropa, manche aus Ungarn, wieder andere aus Rumänien, eine sehr große Gruppe aus Nordafrika und so weiter. So ist es in fast jeder Familie so, dass die Zusammensetzung der Gäste und das Essen zur Herkunft der Eltern passt.
Bei uns in der Familie gibt es zum Beispiel fast immer scharf gewürzte marokkanische Fische, da unser Schwiegersohn aus Marokko stammt. Das ist mehr oder weniger das genaue Gegenteil von „Gefilte Fish“. Ehrlich gesagt finde ich die scharfen Fische viel besser. Dazu kommen eine Unmenge Salate und kalte Gerichte, die uns bis zur Hauptspeise satt machen sollen.
Aber Moment mal, nicht so schnell – bis zum Hauptgericht dürfen wir doch nicht hungern. Deshalb gibt es jetzt eine Suppe, meistens eine klare Suppe mit Knödeln oder kleinen Nudeln.
Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Suppe in ihrer Vergangenheit schon einmal Hühnerfleisch gesehen hat – meistens eine Keule –, das noch immer in der Brühe schwimmt, zusammen mit fein gehacktem Sellerie, Möhrenscheiben oder einer Kartoffel.
Jetzt können wir fast nichts mehr zu uns nehmen, aber wir müssen. Es sind die Hauptgerichte angesagt. Gebratenes Hähnchen, Rinderbraten, Lammkoteletts und viele Beilagen kommen auf den Tisch, der unter der Last der Servierschalen fast zusammenbricht. Alle essen und freuen sich, dass sie bis jetzt durchgehalten haben.
In diesem Stadium beginnen die kleinen Kinder zusammenzubrechen und schlafen auf den Stühlen ein, während die Erwachsenen versuchen, sie davor zu bewahren, herunterzufallen. Die größeren Kinder weigern sich hartnäckig, noch etwas zu essen, trotz der Bitten ihrer Mütter, Tanten oder Großmütter.
Jetzt wird langsam aufgeräumt und das Geschirr gespült, doch das Ende ist noch nicht in Sicht. Es gibt noch etwas Süßes! Jetzt wird es erst interessant, denn hier kommen die Überraschungen: Es gibt kleine Schokotrüffel, Birnen in Weinsoße, Schokoladenmousse und jede Menge Kuchen.
Dieses prächtige Essen wird von ein paar Flaschen Wein begleitet – meistens israelische Weine – und wer es noch aushält, bekommt zum Schluss noch einen Kaffee, Schnaps oder Cognac.
Jetzt wollen wir nur noch atmen und gesund und wohlbehalten nach Hause kommen.
Und das ist nur das Neujahrsessen „Rosch Haschana“. Am nächsten Tag gibt es eine ähnliche Mahlzeit – ja, man isst unter anderem die Reste vom Vorabend. Zehn Tage später findet das Fastenbrechen vor Jom Kippur statt – wieder ein Ritual, bei dem viel gegessen wird, um das anschließende Fasten zu erleichtern. Einige Tage danach folgt Sukkot, ein Fest, das wir alle lieben und bei dem wir endlos weiteressen.
Nach etwa drei Wochen voller Feiertage machen wir alle Urlaub, um uns zu erholen, und dann warten wir geduldig auf Pessach und die nächsten Feiertage.
Ich wünsche uns allen guten Appetit!
Joram