ahavta+ || Protest gegen die Welt, wie sie ist
Leo Baeck und Jonathan Sacks – zwei Rabbiner, für die ihr jüdischer Glaube eine Verpflichtung zur Tat war. Und zwei junge Frauen heute, die um Worte und Gedanken ringen.
Am Dienstag vergangener Woche war der dritte Todestag von Rabbiner Jonathan Sacks. Er starb 70-jährig in London am 7. November 2020.
Ebenfalls in London war Rabbiner Leo Baeck am 2. November 1956 verstorben. Aber es sind nicht einfach die Kalenderdaten und es ist nicht der Ort, der mich an die beiden bedeutenden Persönlichkeiten denken lässt.
Beide haben sehr viel für die Tage der Gegenwart zu sagen. Nicht allein durch ihre Worte und Texte, sondern auch durch ihr Handeln. Für beide Rabbiner war eine politische Tätigkeit selbstverständlicher Teil ihres Jude-Seins.
Anstelle von Jonathan Sacks lasse ich heute seine Tochter Gila Sacks in einem Video vom 31. Oktober zu Wort kommen.
Anstelle von Leo Baeck spricht Janna. Eine ganz normale deutsche Jüdin, wie sie von sich sagt. Aber für sie ist gegenwärtig nichts mehr normal:
Ich sitze an meinem Schreibtisch und trinke Kaffee. Eines der zwei „Lebensmittel“, die ich seit dem 07.10.23 zu mir nehmen kann: Kaffee und Rotwein. Alles andere geht schwer hinunter, die ganze Zeit, denn die ganze Zeit ist mir schlecht. Mir ist schlecht, ich möchte schreien und ich möchte weinen. Das passiert in mir, während außen alles irgendwie weitergeht. Frühstück machen, das Kind anziehen, in den Kindergarten bringen, zur Arbeit fahren. Auf dem Parkplatz kurz weinen, bevor ich aufschließe.
Schalom für Israel, Freiheit für seine Gefangenen aus den Händen der Hamas wünscht sich
dein Ricklef Münnich
November 1938
Am Donnerstag wurde an die Pogrome erinnert, die sich vor 85 Jahren in ganz Deutschland gegen die jüdische Bevölkerung richteten. Der Historiker Hubertus Knabe machte darauf aufmerksam, dass es noch bis zum 13. November 1938 zu antisemitischen Übergriffen gegen Juden kam.
An ihnen beteiligten sich nun auch Jugendliche, Arbeiter und Hausfrauen. Insgesamt wurden rund 1.400 jüdische Versammlungsräume und 7.500 Geschäfte zerstört, bis zu 2.000 Menschen kamen ums Leben.
Nicht allein die Monstrosität der Gewalt lässt an den 7. Oktober 2023 in Israel denken. Auch dort waren es neben den Terroristen der Hamas „normale“ Jugendliche, Arbeiter und sogar alte Menschen (auf einem Video sah ich einen Alten am Gehstock humpelnd nach Israel eindringen), die sich plündernd und gaffend in den Gemeinden und Kibbuzim des Gaza-Gürtels bewegten. Nur die Frauen fehlten – nicht jedoch, weil sie anderer Gesinnung waren…
Man kann die Geschichte begreifen, nur wenn man in den Glauben eingedrungen ist, und man kann den Glauben verstehen, nur wenn man auch die Geschichte erfasst.
Leo Baeck, Gerechte und Engel, 1931
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