Walter Rothschild || Das dröhnende Schweigen im Äther
Während Kanzler Merz im Radio Kritik übt, bleibt das Wesentliche ungesagt. Eine Reflexion über diplomatische Worthülsen, die Realität des Krieges und eine Unterstützung, die niemals ankam.
Es war gestern, als das Radio lief. Vielleicht habe ich auch nur halb hingehört, wie man es eben tut, wenn der Alltag rauscht. Doch dann drangen die Worte durch den Äther: Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich. Es war eine jener Nachrichten, die hängenbleiben – nicht wegen dessen, was gesagt wurde, sondern wegen der Art und Weise. Halbherzig, vielleicht sogar „halbmerzig“, so klang die Kritik an Israel und Premierminister Netanjahu wegen angeblicher Verstöße gegen das Völkerrecht. Im gleichen Atemzug fiel der Satz, die Hamas dürfe in Gaza keine Rolle mehr spielen.
Doch während ich dort in meiner Wohnung stand – vielleicht war es zu leise, vielleicht aber auch der Lärm der Weltpolitik zu laut –, wartete ich vergeblich auf den nächsten Satz. Den Satz, der Logik und Moral in Einklang gebracht hätte: „Aber keine Sorge, morgen schicken wir eine Ausbildungseinheit der Bundeswehr nach Israel. Wir zeigen der IDF, wie man in urbanen Gebieten gegen einen unterirdischen Feind kämpft – fair und besser.“
In meiner Vorstellung hörte ich sogar noch mehr. Ich wartete auf das Versprechen eines Bataillons Landjäger, entsandt, um den müden, erschöpften israelischen Soldaten beizustehen und die Hamas schnell, schmerzlos – und „merzlos“ – zu entwaffnen. Doch dieser Satz fiel nicht.
Die Kunst der diplomatischen Leere
Schon wieder. Es ist ein Muster, das sich wie ein roter Faden durch die Nachrichten zieht. Schöne Worte, hinter denen sich eine gähnende Leere verbirgt. Keine echte Hilfe, keine konkrete Unterstützung, nur diese milde, fast väterliche Kritik von jemandem, der aus der Ferne scheinbar besser weiß, womit die Menschen vor Ort konfrontiert sind.
Auch an anderer Stelle blieb das Radio stumm, obwohl meine Enttäuschung hier gedämpfter war. Es fehlte der Zusatz: „Ich werde mit meinen Amtskollegen in Irland und Spanien sprechen. Wir nehmen jeweils eine halbe Million palästinensischer Flüchtlinge auf – da ihre arabischen Brüder wenig Interesse zeigen, holen wir gemeinsam anderthalb Millionen Menschen aus diesem verseuchten Trümmerfeld. Und sichern uns damit pünktlich zu Weihnachten ein reines Gewissen.“
Man fragt sich unweigerlich: Was treibt Politiker zu solchen Aussagen? Wer sitzt in den Hinterzimmern der Außenministerien, schreibt diese Texte, plant diese Choreografie der diplomatischen Höflichkeit, die doch so oft an der Realität zerschellt? Und warum, so schoss es mir durch den Kopf, hat Herr Netanjahu nicht einfach geantwortet: „Vielen Dank für den Rat. Wir erwarten morgen Ihre Ausbildungseinheit und die Hubschrauber, um unsere Fehler zu korrigieren“?
Das verfälschte Bild der Realität
Während die Politik redet, wissen die Fachleute – die Militärstrategen und Geheimdienstexperten – längst Bescheid. Sie erkennen das militärische Meisterwerk, das die IDF in den letzten zwei Jahren vollbracht hat. Sie wissen um den hohen Preis dieser Präzision: Wie viel teurer, wie viel riskanter jeder Einsatz wurde, nur um Zivilisten zu schonen.
Diese Experten wissen, dass die israelische Armee offenbar jeden Terroristen mit Namen und Gesicht kennt. Sie wissen genau, wen sie „ausgeschaltet“ haben und welche Taten auf das Konto dieser Menschen gehen. Sie fallen nicht auf die Listen des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums herein. Sie durchschauen die KI-generierten Bilder, auf denen Menschen, wenn man nur genau hinsieht, plötzlich drei Hände oder sechs Finger haben, und erkennen die Inszenierung der immer gleichen, sauberen, leeren Schüsseln, die vor den Kameras tanzen.
Ein Luxus namens Unentschlossenheit
Bislang hat Deutschland nichts unternommen. Schlimmer noch: Die politische Klasse scheint sich uneinig, ob dieses Land überhaupt noch Feinde hat, ob es sich überhaupt lohnt, junge Männer wieder an der Waffe auszubilden. Es ist ein fast schon dekadenter Luxus, sich diese Frage überhaupt leisten zu können.
Doch Deutschland kann sich jetzt entspannen. Denn die Ironie der Geschichte will es so: Israel wird es nun sein, das Deutschland vor Bedrohungen, vor Drohnen und Raketen schützt. Das Schild ist aufgespannt. Aber vor der eigenen Dummheit, der Selbstgefälligkeit und der Taktlosigkeit? Das tut mir leid. Diese Aufgabe ist selbst für die Israelis unlösbar.
Rabbiner Dr. Walter Rothschild



Die politische Klasse möchte m.E. schon gerne junge Menschen "an der Waffe ausbilden". Allerdings wissen die Betroffenen nicht so genau, für was sie sich dann in das letzte Gefecht begeben sollen. Gegen Russland? Jedes militärische Planspiel in einem derartigen Konflikt endet in einem nuklearen Inferno. Gegen den "militanten Islamismus"? "Islam is Peace" wurde und wird in den Schulen gelehrt. Deutschland ist nicht Israel. Die Gesellschaft ist fragmentiert und ein wie auch immer gearteteter "Patriotismus" wurde über Generationen hinweg abtrainiert. "Soldaten sind Mörder" war über Jahrzehnte der Slogan. Und nun soll der Schalter umgelegt werden? Für die auch in Europa immer geringer werdende "demokratische" Freiheit kämpfen...?
Alles sehr schwierig.