ahavta+ || Schabbat für Christen
Zuletzt hatten wir festgestellt, dass der Sabbat der Juden nicht der Sonntag der Christen ist. Was bedeutet dann aber der Sabbat für Christen?
Schalom,
„Leidenschaftlich Brücken bauen“ hat Yuval Lapide einen Vortrag mit Gespräch genannt, zu dem ich dich heute einlade. Mit ihm würdigt er das Werk seiner Eltern Ruth und Pinchas Lapide.
Eine Brücke braucht Pfeiler, auf denen sie ruht. Was aber, wenn es solche Pfeiler nicht gibt? Wenn sie zerstört sind oder vielleicht noch gar nicht gebaut? In der vergangenen Woche habe ich über den Austausch des Schabbat gegen den Sonntag in den Kirchen geschrieben und vom christlichen Verschwindenlassen des Schabbat.
Für Jüdinnen und Juden ist der Schabbat ein Grundpfeiler ihrer Existenz. Wo ist das Gegenstück auf christlicher Seite, damit eine Brücke zwischen Juden und Christen gespannt werden kann? Dieses Gegenüber ist nicht der Sonntag mit seiner Feier der Auferweckung Jesu Christi aus den Toten. Als solcher spezifisch christlicher Feiertag ist er nicht dialogfähig – die Missachtung dieses Sachverhalts sind zum Beipsiel die mittelalterlichen Dialoge, zu denen Rabbiner gezwungen wurden, um ihnen die Messianität und die Auferstehung Jesu zu „beweisen“.
Die Wahrheit des christlichen Sonntags ist nicht beweisbar, sondern nur lebbar. Sie kann Juden gegenüber nur durch eine christliche Existenz der Verbundenheit mit dem jüdischen Volk bezeugt werden. Damit stellt sich umso mehr die bereits formulierte Frage im Blick auf den siebten Tag: Was geht Christen der Sabbat an?
Zur Abrundung gebe ich dir zum einen die vorletzte Folge der Videoreihe „Frag den Rabbi!“ mit der Frage „Wie verläuft der Schabbat?“ Ein zweites, kurzes Video ist eine animierte Tonaufnahme von Rabbiner Jonathan Sacks aus dem Jahr 2010. Dort geht es um Zeit. Nach Sacks ist Zeit „das Einzige, was Gott uns allen zu gleichen Bedingungen gibt, egal ob wir reich oder arm, mächtig oder machtlos sind.“ Und egal, ob wir Juden oder Christen (oder nichts davon) sind… Schon deshalb ist der Schabbat als Zeichen in der Zeit für uns alle von Bedeutung.
Ich wünsche dir a gut woch sowie einen gesegneten Sonntag
dein Ricklef Münnich
„Leidenschaftlich Brücken bauen“
Der Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gibt am Mittwoch, dem 15. Februar 2023, um 18.30 Uhr, Dr. Yuval Lapide die Gelegenheit, „Werk und Wirken von Pinchas und Ruth Lapide“ in einem Vortrag über Zoom vorzustellen und mit den Zuschauern ins Gespräch zu kommen.
Pinchas und Ruth Lapide gehörten zu den Pionieren des christlich-jüdischen Gesprächs nach der Schoa (gestorben 1997 und 2022). Der Theologe und die Religionswissenschaftlerin erklärten vor allem für Christen die jüdischen Wurzeln des Neuen Testaments und ihrer Religion und setzten sich mit der jüdisch-christlichen Beziehungsgeschichte auseinander.
Ihr Sohn Yuval Lapide wird Werk und Wirken seiner Eltern vorstellen und zeigen, wie diese den jüdisch-christlichen Dialog seit den 1960er Jahren im deutschsprachigen Raum prägten. Zugleich wird er den damit in enger Verbindung stehenden schmerzhaften biografischen Werdegang seiner Eltern skizzieren, die aus Österreich und Deutschland vertrieben wurden und nach Palästina flüchteten. Seit 1974 lebten sie in Frankfurt am Main. Nach der Schoa sahen sie es als ihre Verpflichtung an, den christlichen Gesprächspartnern theologische Missverständnisse, Unkenntnisse und Vorurteile in der traditionellen christlichen Bibellektüre zu zeigen und diese durch Zugrundelegung des hebräischen Originals zu korrigieren.
Hier kannst du dich für das Webinar anmelden und den Zugangslink bekommen:
„Gedenke“ und „Halte“
Das 3. Gebot nach Luthers Katechismus lautet: Du sollst den Feiertag heiligen, im katholischen Katechismus: Du sollst den Tag des Herrn heiligen. In den zehn Geboten der Bibel in 2. Mose 20 hingegen: Gedenke des Sabbats, ihn zu heiligen (זָכ֛וֹר֩ אֶת־י֥֨וֹם הַשַּׁבָּ֖֜ת לְקַדְּשֽׁ֗וֹ).
Im 5. Buch Mose gibt es freilich noch eine weitere Fassung des Dekalogs. Hier heißt das Gebot: Halte den Sabbat, ihn zu heiligen (Kapitel 5,12: שָׁמ֣֛וֹר אֶת־י֥וֹם֩ הַשַׁבָּ֖֨ת לְקַדְּשׁ֑֜וֹ). „Gedenke…“ und „Halte…“ – warum gebietet die Tora zwei verschiedene Weisen des Umgangs mit dem Schabbat? Widerspricht sich die Tora etwa?
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