ahavta+ || Trauer
Abschied von Peter von der Osten-Sacken, der am 28. Juni 2022 im Alter von 82 Jahren in Berlin verstorben ist.
Schalom,
am vergangenen Dienstag ist der evangelische Theologe und langjährige Leiter des Berliner Institutes Kirche und Judentum, Professor Dr. Peter von der Osten-Sacken, in Berlin verstorben.
Mit ihm habe ich den Lehrer vom Beginn meines theologischen Studiums 1975 an der Kirchlichen Hochschule Berlin und bis zum heutigen Tage verloren.
Er war mein Lehrer als Ausleger des Neuen Testamentes im Kanon der Bibel, in der Welt des Judentums und in seiner Wirkungsgeschichte in Theologie, Kirche und Gemeinde. Ebenso freilich als (nie zu erreichendes) Vorbild darin, wie ein Mensch sein sollte – sensibler Zuhörer und Gesprächspartner, in seinen reichen Gaben und Talenten ungemein bescheiden, demütig gegenüber allem, was das Leben an Geschenken und Lasten auferlegt, fleißig und diszipliniert, genau und präzise, unbestechlich und ohne überflüssige Worte, treu. Mit all dem und mehr war er mir ein Freund.
Mit dieser Ausgabe von ahavta+ nehme ich Abschied von ihm. Unvollkommen und anfangsweise. Denn er wird weiterhin in allen künftigen Beiträgen von mir gegenwärtig sein. Möge sein Andenken darin zum Segen werden, זיכרונו לברכה.
Nun ist Peter von der Osten-Sacken vor dem Angesicht des EINEN, den er in seinem Sohn Jesus von Nazaret auf einzigartige Weise gekannt und verstanden hat. Möge daraus ein erkannt und erstanden werden!
Traurig und dankbar,
dein Ricklef Münnich
„Eine Kirche, die nichts weiß, die nichts wissen will von Israel, ist eine leere Hülse“
Karl Ludwig Schmidt am 14. Januar 1933 in seinem Gespräch mit Martin Buber im Jüdischen Lehrhaus in Stuttgart
Mit seinem Lebenswerk tat Peter von der Osten-Sacken alles, um nach der Schoa diese Aussage in ein positives Gegenteil zu wenden.
Wir Christen sind grundsätzlich auf die Juden angewiesen.
Und mehr noch als der Dialog ist das Studium jüdischer Texte wesentlich,
um unser eigenes christliches Leben zu bereichern.
(Pierre Lenhardt)
Pierre Lenhardt NdS (1927–2019) hat als Ordensbruder dieses Bekenntnis gelebt wie wohl niemand anderes.
Nicht dem Judentum als solchem habe ich mein Leben gewidmet, sondern dem Wort Gottes, das durch die Tradition Israels spricht.
In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts (und danach) gab es vermutlich keinen Christen, der die rabbinischen Traditionsliteratur besser kannte als Pierre Lenhardt. Mit ihm begann Peter von der Osten-Sacken Seminarwochen in Jerusalem für Studierende der Theologie durchzuführen. Für mich die erste Begegnung mit der mündlichen Tora Israels und ihren Lehrern. Eine faszinierende Welt öffnete sich und das wurde lebensverändernd, nicht nur für mich.
Studium in Israel
Im Staat Israel jüdisches Denken und Leben in Geschichte und Gegenwart zu lernen – Peter von der Osten-Sacken wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig dies ist, seitdem er selbst als Kieler Student erstmals 1962 im Kibbuz Sarid gearbeitet hatte.
Aber eine Woche Lernen bei einem Seminar in Jerusalem? Viel zu wenig! Es war Peter von der Osten-Sacken, der 1978 mit anderen Studium in Israel. Ein theologisches Studienjahr an der Hebräischen Universität Jerusalem ins Leben rief. Es ist lebendig bis heute.
Ich selbst durfte im ersten „Pionier-Jahrgang“ (und als Studienbegleiter nochmals im Jahrgang 4) dabei sein.
Wie wirksam dieses Studienprogramm geworden ist, zeigt die Festschrift, die 2018 zum vierzigjährigen Bestehen mit 436 Seiten unter dem Titel „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ erschienen ist. Dort findet sich auch der Abschlussbericht des ersten Jahrgangs von Studierenden:
Der Vorsitzende des heutigen Studium in Israel e.V., der Göttinger Professor Dr. Bernd Schröder, hat eine Anzeige der Trauer um Peter von der Osten-Sacken veröffentlicht, in welcher auch auf die Trauerfeier am Mittwoch, dem 13. Juli 2022, um 14 Uhr in der Berliner Sophienkirche hingewiesen wird:
Die genannte Festschrift erschien als Band 10 der Reihe Studien zu Kirche und Israel. Neue Folge (SKI.NF), herausgegeben von dem Institut Kirche und Judentum (IKJ). Damit ergibt sich für mich ein zwangloser Übergang zum hauptsächlichen Arbeitsfeld Peter von der Osten-Sackens im Verlauf von 33 Jahren. Denn von 1974 bis 2007 ist er dessen Institutsleiter gewesen.
Institut Kirche und Judentum
Günther Harder, der bereits ab 1936 in der Bekennenden Kirche als Dozent für Neues Testament an der illegalen Kirchlichen Hochschule Berlin tätig war, gründete 1960 das Institut Kirche und Judentum an der KiHo, wie die Hochschule von Studenten zumeist liebevoll genannt wurde. Wikipedia stellt richtig fest: „Früher als die meisten anderen evangelischen Theologen lehrte er die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes.“
Sein Nachfolger wurde 1974 Peter von der Osten-Sacken. Unter ihm wurde das Institut Kirche und Judentum zu einer weit über akademische Grenzen hinaus bekannten Einrichtung. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete die von ihm 1987 eingerichtete internationale christlich-jüdische Sommeruniversität. Über diese schrieb ich 2005:
Sommeruniversität heißt am Institut Kirche und Judentum: Ein knappes Dutzend christlicher und jüdischer Dozentinnen und Dozenten aus England, Israel, den USA und Deutschland unterrichten eine Woche lang unter einem gemeinsamen Oberthema. Abendvorträge ergänzen das Programm, den Abschluss bildet ein gemeinsamer christlich-jüdischer Gottesdienst. Bis zu 240 Teilnehmer hielten sich solch eine Woche jeweils im Kalender frei, wie ich oft nur mit Mühe, waren doch neben Studierenden immer auch Pfarrer und schlicht Interessierte dabei.
Das Wesentliche geschah … oft unbemerkt im Hintergrund. Hier war es die ganz persönliche Brückenbauarbeit des Institutsleiters. Ohne dieses Versöhnungswerk, besser: ohne den Menschen Peter von der Osten-Sacken, hätte etwa ein Rabbiner wie Dr. Sanford Ragins aus Los Angeles sich niemals durchringen können, mit christlichen (und deutschen) Studierenden zu arbeiten.
Über die Sommeruniversitäten entwickelten sich tiefe Freundschaften zwischen jüdischen Lehrenden aus Israel und den USA mit dem Organisator, die wiederum reiche Frucht in der Publikationstätigkeit des Institutes fanden.
Der Selbstverlag des Instituts Kirche und Judentum, dessen Veröffentlichungen heute von der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig fortgesetzt werden, war ein bis heute nur unzureichend gewürdigtes Wunder in der Bücherlandschaft. Mein Staunen über die Arbeit des Verlagsleiters Peter von der Osten-Sacken habe ich 2005 – auch dies unzureichend – zum Ausdruck gebracht:
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie ahavta - Begegnungen, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.