ahavta+ || Wie das Christentum das Hebräische rettete
Das Christentum mit seinem Überlegenheitsanspruch löste den Rückzug der Juden ins „Geheimnis“ seiner hebräischen Mündlichkeit aus.
Nach drei Semestern an der TU Berlin hatte ich mich entschieden, das Studienfach zu wechseln, um Pfarrer zu werden. Am Anfang des Studiums der Evangelischen Theologie ging es jedoch erst einmal an das Erlernen alter Sprachen. Nach einem Intensivkurs legte ich am Ende des 1. Semesters das Hebraicum ab, eine Prüfung meiner Sprachkompetenz im biblischen Hebräisch. Die Kenntnis des Hebräischen ist bis heute fest verankert in der Existenz jedes evangelischen Theologen.
Damit wird anerkannt, dass der TeNaCH, die Bibel aus Tora, Prophetenbüchern und übrigen Schriften hebräisch zu lesen und zu lernen ist. Das war nicht immer so eindeutig. Denn zur Zeit des Neuen Testaments war Griechisch die „Sprache von Welt“. In der gesamten Osthälfte des Römischen Reiches verkehrte man auf Griechisch miteinander. Das galt auch für die jüdische Lebenswelt der Antike. Daher ist nicht nur das Neue Testament gänzlich auf Griechisch niedergelegt, sondern innerhalb des Neuen Testaments liegt etwa 400 biblischen Zitaten eine griechische Version der Schrift zugrunde.
Diese griechische Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel wird seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert Septuaginta genannt nach dem lateinischen Zahlwort für „siebzig“. Daher steht sehr häufig auch die römische Zahl LXX für die Septuaginta.
„Der Legende nach übersetzten 72 jüdische Gelehrte in Alexandria die Tora (fünf Bücher Mose) in 72 Tagen aus dem Hebräischen ins Griechische. Dabei soll jeder Übersetzer für sich selbst gearbeitet haben, am Ende aber seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen: Der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Die Zahl 72 wurde auf 70 abgerundet und erinnert an die siebzig Auserwählten, die mit Gottes Geist begabt wurden, um Mose bei der Rechtsprechung zu helfen (Num 11,24ff). Damit wurde auch die Verbalinspiration dieser Übersetzung betont.“ (Wikipedia)
Die jüdisch übersetzte Bibel in der Septuaginta wurde ab Ende des 1. Jahrhunderts zum Alten Testament der Christen. Doch auch innerhalb des Judentums blieb die griechische Sprache in Gebet und Lehre und mit ihr die griechische Bibel bis etwa ins 5. Jahrhundert zentral. Das ist von heute aus gesehen kaum mehr vorstellbar. Denn das Hebräische entwickelte sich zunehmend von der hebräischen Bibel aus auch zur jüdischen Sprache der Bibelauslegung und -interpretation sowie zur Sprache des täglichen Gebets.
So kann man – vereinfacht – sagen, das Christentum wurzelt in der griechischen Septuaginta und ihrer Auslegung, das Judentum im hebräischen TeNaCH und seiner Auslegung.
Heute will ich dir meine These vorstellen, dass die christliche Welt der Antike mit ihren Wurzeln im griechischen Judentum maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich das Judentum auf das Hebräische konzentriert und, wenn man so will, zurückgezogen hatte: Wie das Christentum das Hebräische rettete.
Ein einziges Semester Hebräisch lernen an der Uni – das ist natürlich so gut wie nichts! Später fand ich immerhin noch die Möglichkeit, etwas vom Hebräischen der mündlichen Tora und des modernen Iwrit des Staates Israel in Jerusalem lernen zu können. Gleichwohl sind meine Kenntnisse mehr als rudimentär. Erstaunlich ist, dass es unter den Christen hier und da einzelne gegeben hat, die es im Hebräischen zur Meisterschaft gebracht haben. Dazu gehört der katholische Priester Joseph Franz von Allioli im 19. Jahrhundert. Der hebräische Sprachforscher und -kenner mit dem Pseudonym Philologos („Liebhaber des Wortes“) meint gar, Allioli hätte „in der Ruhmeshalle der hebräischen Dichter einen ganz besonderen Platz eingenommen“. Den gerade erschienenen Beitrag von Philologos gebe ich dir unten aus dem Englischen übersetzt zu lesen.
Eine gute Woche wünscht dir
dein Ricklef Münnich
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