7.10.2023–7.10.2025: Zwei Jahre anhaltender Schmerz
Naomi Ehrlich Kuperman erinnert sich, wie der Feiertag Simchat Tora zum Albtraum wurde. Ein Trauma, das Israel auch zwei Jahre nach dem Angriff der Hamas nicht loslässt.
Die Monate Oktober und November sind in Israel gute Monate für den Tourismus – und für diejenigen, die in dieser Branche arbeiten und davon leben. Das herbstliche Wetter ist angenehm mild und intensiviert das Erlebnis eines Besuchs.
Ich erinnere mich gut an jenen Morgen vor zwei Jahren. Ich war in den süßen Schlaf eines freien Tages versunken, der mein letzter freier Tag sein sollte, bevor ich vom 8. Oktober 2023 bis Anfang November drei Gruppen nacheinander führen sollte. Ich hatte vor, diesen Schabbat zum Ausruhen zu nutzen, meinen Koffer zu packen und mich mit Freundinnen zu treffen, um gemeinsam ins Kino zu gehen, wie wir es von Zeit zu Zeit tun.
Dieser Schabbat, der 7. Oktober, fiel auf den 22. Tischri nach dem jüdischen Kalender und war ein Feiertag namens Simchat Tora. Gemäß der jüdischen Tradition wird an diesem Tag der jährliche Zyklus der Tora-Lesung in den Synagogen beendet und mit einer neuen Lesung aus dem Buch Genesis begonnen. Genesis eröffnet den Zyklus der fünf Bücher der Tora. Dieses Ende und dieser Neubeginn sind Anlass für Feierlichkeiten, bei denen die Tora-Rollen aus dem Aron ha-Kodesch, dem heiligen Schrein in der Synagoge, herausgenommen werden und man in freudigen Kreisen mit den Schriftrollen tanzt. Deshalb wird der Feiertag Simchat Tora, „Freude der Tora“, genannt.
Am 7.10.2023 wurde der Tag der Freude und des Lichts jedoch zu einem Tag der Trauer und des Verlusts, als sich um 06:29 Uhr die Pforten der Hölle für uns öffneten.
Hier in Jerusalem ertönte um 07:30 Uhr ein Alarm. Anfänglich war ich sicher, dass es sich nur um einen weiteren jener Träume handelte, die mich nachts heimsuchen und in denen Realität und Fantasie zu einer surrealistischen Geschichte verschmelzen. Doch dieses Mal war es kein Traum, sondern ein Albtraum der Wirklichkeit, der sich sofort zu entfalten begann, als ich den Fernseher einschaltete, um zu verstehen, was und wo etwas geschah. Ich sah Bilder von bewaffneten Terroristen, die den Grenzzaun zwischen Gaza und Israel überquerten – ein Zaun, von dem ich überzeugt war, dass jeder Versuch, ihn zu überwinden, noch bevor er überhaupt stattfand, scheitern würde, ganz zu schweigen von dem Versuch, ihn mit Pick-up-Trucks und Motorrädern zu überwinden. Es war klar, dass so etwas niemals geschehen würde, denn unsere IDF ist eine starke Armee, die uns überall entlang der Grenzen schützt. Doch dann geschah das Schlimmste. Und obwohl ich für einen Moment hoffte, dass es sich vielleicht um eine weitere bizarre Netflix-Serie handelte, wurde mir klar, dass die Realität jede Vorstellung und jedes Szenario übertroffen hatte.
Zwei Jahre sind vergangen und wir alle leben mit diesem Albtraum, mit dieser uns aufgezwungenen Realität: dem Angriff der Hamas, bei dem unschuldige Zivilisten jeden Alters abgeschlachtet, Häuser zerstört und niedergebrannt wurden. Gemeinschaften waren gezwungen, ihre friedlichen Wohnorte zu verlassen, die zu einem Gebiet andauernden Krieges wurden. Tatsächlich befand sich das ganze Land mit all seinen Bürgern in existenzieller Gefahr aus dem Süden, dem Norden und dem Osten. Glücklicherweise erstreckt sich im Westen das Meer, das jedoch ebenfalls bewacht werden muss. Dieser komplexe und andauernde Krieg begleitet uns bis heute und wird uns auch in Zukunft noch viele Jahre beschäftigen. Ein fortwährendes Trauma, mit dem wir weiterhin umgehen müssen.
Hinzu kam eine weitere Ebene: Antisemitismus und Judenhass, die an vielen Orten der Welt zum guten Ton geworden sind. Früher dachten wir, Antisemitismus und Antisemiten seien rückständige Menschen, eine Minderheit, die an verschiedenen Orten der Welt zu finden ist und nach Vorstellungen und Meinungen lebt, die in der breiten Öffentlichkeit keinen Platz haben. Doch wieder hat uns die Realität ins Gesicht geschlagen: Der Judenhass ist nicht tot, sondern lebt, erstarkt und nimmt erschreckende Formen an.
Die Lebenswirklichkeit in Gaza, wie sie erscheint und fotografiert wird, ist tatsächlich sehr hart und weckt Mitgefühl mit den Bewohnern, die unter den Folgen des Krieges leiden. Da die Proteste gegen Israel jedoch bereits in den ersten Wochen nach dem 7. Oktober begannen, als wir noch mit heftigen Luftangriffen auf Gaza reagierten, scheint es, als würden sich all jene, die Hass und Widerstand gegen Juden und den Staat Israel demonstrieren, nicht wirklich damit auseinandersetzen, was am 7. Oktober wirklich geschah: nicht mit den ermordeten Geiseln, nicht mit den Geiseln, die auf kaum vorstellbare Weise festgehalten und gefoltert wurden.
Juden, die in bestimmten Regionen der Welt leben, fürchten um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder – auch vor ihren Nachbarn und der Umgebung, in der sie leben. Israelis müssen ihre Identität verbergen und es vermeiden, Hebräisch zu sprechen. Eine verrückte Realität.
Aber Am Jisrael Chai – das Volk Israel lebt – und wir werden weiter existieren, erinnern, eine Träne vergießen, aber auch singen und tanzen. Und wir werden in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft leben.
Unsere gegenwärtige Hoffnung ist die Rückkehr aller Geiseln – die Lebenden zu ihren Familien und zur Rehabilitation und die Toten zu einer würdigen Bestattung, an der sie einen Namen und dann eine ewige Ruhe finden werden.
Amen.