ahavta+ hört den Propheten Sacharja
Die „Zehn Wege zu Gott“ sind ein 10-teiliger Lehrplan über Judentum und jüdische Identität, der auf traditionellen Quellen und den Lehren von Rabbiner Jonathan Sacks basiert. Er ist eine gebündelte Darstellung jüdischer Existenz – und mehr als das. Daher habe ich die Grundtexte für dich übersetzt.
Auf jeden Juden kommen heute etwa 155 Christen und 120 Muslime. Auch nach mehr als dreitausend Jahren haben die Worte von Mose im Deuteronomium ihre Gültigkeit: „Der Herr hat euch nicht deshalb in sein Herz geschlossen und euch erwählt, weil ihr zahlreicher wärt als andere Völker, sondern weil ihr die wenigsten seid.“ Das waren wir damals. Wir sind es heute.
Warum hat Gott dieses winzige Volk für eine so große Aufgabe auserwählt, seine Zeugen in der Welt zu sein – das Volk, das in jedem Zeitalter gegen die Götzen der Zeit ankämpft, um Übermittler seiner Botschaft an die Menschheit zu sein? Warum sind wir so wenige? Warum diese Diskrepanz zwischen der Größe der Aufgabe und der Kleinheit des Volkes, das sie auszuführen hat?
In der Tora gibt es in Exodus 30,12 eine merkwürdige Stelle: „Wenn du die Israeliten abzählst, um sie zu zählen, muss jeder bei der Zählung dem Herrn ein Lösegeld für sein Leben zahlen. Dann wird ihnen bei der Zählung kein Unglück (negef) geschehen.“ Die Aussage ist unmissverständlich. Es ist gefährlich, Juden zu zählen. Jahrhunderte später ignorierte König David diese Warnung und das Unheil brach über das Volk herein. Warum ist es also gefährlich, Juden zu zählen?
Nationen führen Volkszählungen durch, weil sie davon ausgehen, dass Stärke in der Zahl liegt. Je größer das Volk ist, desto stärker ist es. Und genau deshalb ist es gefährlich, Juden zu zählen. Wenn Juden jemals glauben würden, dass ihre Stärke in ihrer Zahl liegt, würden wir, Gott bewahre, uns der Verzweiflung überlassen. In Israel waren sie stets eine kleine Macht, umgeben von großen Reichen. In der Diaspora waren sie überall eine Minderheit.
Worin lag also die Stärke der Juden, wenn nicht in ihrer Zahl? Die Tora gibt eine Antwort von überragender Schönheit. Gott sagt zu Moses: Zähle die Juden nicht! Fordere sie auf zu geben, und dann zähle die Beiträge. Gemessen an der Zahl sind wir klein. Aber in Bezug auf unsere Beiträge sind wir riesig. In fast jedem Zeitalter haben Juden der Welt etwas Besonderes gegeben: die Tora, die Literatur der Propheten, die Poesie der Psalmen, die rabbinische Weisheit der Mischna, des Midrasch und des Talmud, die riesige mittelalterliche Bibliothek von Kommentaren und Gesetzbüchern, Philosophie und Mystik.
Als sich dann die Türen der westlichen Gesellschaft öffneten, setzten die Juden in einem Bereich nach dem anderen Zeichen: in der Wirtschaft, der Industrie, den Künsten und Wissenschaften, dem Kino, den Medien, der Medizin, dem Recht und auf fast allen Gebieten akademischen Lebens. Sie revolutionierten das Denken in Physik, Wirtschaft, Soziologie, Anthropologie und Psychologie. Juden haben Nobelpreise gewonnen, die in keinem Verhältnis zu unserer Zahl stehen.
Die einfachste Erklärung ist, dass man als Jude aufgefordert wird, etwas zu geben, etwas beizutragen, etwas zu bewirken, bei der monumentalen Aufgabe zu helfen, die die Juden seit Anbeginn unserer Geschichte beschäftigt – die Welt zu einer Heimstatt der göttlichen Gegenwart zu machen, zu einem Ort der Gerechtigkeit, des Mitgefühls, der Menschenwürde und der Unantastbarkeit des Lebens. Obwohl unsere Vorfahren ihre Beziehung zu Gott hochschätzten, betrachteten sie sie nie als Privileg. Sie wussten, dass es eine Verantwortung war. Gott verlangte große Dinge vom jüdischen Volk und machte es dadurch groß.
Wenn es darum geht, einen Beitrag zu leisten, bedeuten Zahlen nichts. Was zählt, ist das Engagement, die Leidenschaft, die Hingabe für eine Sache. Gerade weil wir als Volk so klein sind, zählt jeder Einzelne von uns. Jeder von uns hat einen Einfluss auf das Schicksal des Judentums und des jüdischen Volkes. Sacharja hat das am besten ausgedrückt: „Nicht durch Macht noch durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der allmächtige Herr“.
Physische Stärke braucht Zahlen. Je größer die Nation, desto mächtiger ist sie. Aber wenn es um geistige Stärke geht, braucht man keine Zahlen, sondern Verantwortungsbewusstsein. Man braucht ein Volk, in dem jeder weiß, dass er oder sie etwas zur jüdischen und zur menschlichen Geschichte beitragen muss. Die jüdische Frage lautet nicht: Was kann mir die Welt geben? Sie lautet: Was kann ich der Welt geben? Das Judentum ist der Ruf Gottes in die Verantwortung.
Vor fünf Jahren „kündigte der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Bedford-Strohm, anlässlich des Reformationsjubiläums die Einrichtung einer Stiftungsprofessur an – war doch im Laufe der Reformationsdekade vielen deutlich geworden, dass antijüdisches Erbe und antisemitische Vergangenheit nicht nur Schriften einzelner Reformatoren wie Texte Martin Luthers prägten, sondern tief in der Theologie, Liturgie und im Leben der evangelischen Kirchen stecken, teilweise bis auf den heutigen Tag. So entstand die Idee, eine Stiftungsprofessur für Geschichte und Gegenwart des christlich-jüdischen Verhältnisses solle nicht nur diese schwierige Vergangenheit mit aufhellen helfen, sondern Beiträge zur Erneuerung der reformatorischen Theologie jenseits von antijüdischen Stereotypen leisten.“ (Christoph Markschies)
Seit Juli 2020 nimmt die Israelin Karma Ben Johanan diese Stiftungsprofessur wahr. Im Oktober des vergangenen Jahres hielt sie sie ihre Antrittsvorlesung.
Im Jahr 2020 unterzeichneten Israel und die Vereinigten Staaten mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain ein Friedensabkommen, das als Abraham-Abkommen in die Geschichte eingehen sollte. Marokko und der Sudan folgten. Das Abkommen änderte die Machtstrukturen im Nahen Osten grundlegend und öffnet den Weg, den über Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen Israel und arabischen Staaten zu beenden.
Seit dem Abschluss des Abkommens haben sich die Beziehungen zwischen den beteiligten Nationen enorm verbessert. Gemeinsame Herausforderung, wie der Umgang mit den Folgen des Klimawandels und der wachsenden Bedrohung durch den Iran, werden eine enge Zusammenarbeit in Zukunft weiter begünstigen. Hier liegt die Chance, langfristig mehr Sicherheit, Frieden und Wohlstand im Nahen Osten zu fördern.
In Deutschland wurde dieser Prozess bislang zwar mit Interesse beobachtet, jedoch sind wenig Schritte unternommen worden, die Veränderungen im Nahen Osten aktiv mitzugestalten oder gar weiter zu fördern. Dabei verpasst Deutschland womöglich das Momentum, welches das Abraham-Abkommen bietet, um einerseits politische Verantwortung zu übernehmen und anderseits eigene Interessen im Nahen Osten zu verfolgen.
Die vorstehenden Absätze sind der Ausschreibung des Wettbewerbs „Abraham4Peace“ des European Leadership Network (ELNET) entnommen. Er wollte die Chancen und Möglichkeiten beleuchten, die sich aus den Abraham-Abkommen ergeben, und mögliche Perspektiven für die deutsch-israelische Beziehung aufzeigen. Lina Eisenberg hat sich der Herausforderung gestellt.
Mit Technologie und Innovation in eine gemeinsame Zukunft
Diese Frage beantwortet der Thüringer Landesrabbiner Alexander Nachama. Die hebräische Sprache war stets die Sprache des Gebetes. Im Alltag wurde in talmudischer Zeit hingegen Aramäisch gesprochen. Allerdings gibt es auch aramäische Gebete im Siddur, dem Gebetbuch – vor allem das Kaddisch. Dieses erläutert der Rabbiner besonders. Er erklärt, weshalb dieses aramäische Gebet eine besondere Stellung im Judentum bekommen hat.
Am Ende des Gespräches mit mir erörtert Rabbiner Nachama die Frage, ob auch neuere Gebete noch den Weg in das Gebetbuch finden (können).
Eines der populärsten Gebete, das Lecha Dodi zur Begrüßung des Schabbat am Freitag Abend ist vergleichsweise jung und lässt sich – anders als fast alle anderen im Siddur – sogar datieren.
Schau die neue Folge der Reihe „Frag den Rabbi!“
Die vorangegangenen Folgen meiner Videothek des jüdischen Lebens kannst du unter dem folgenden Link aufrufen: