ahavta+ hört: Mein Israel, es blüht wie zum Trotz
Bilder aus Kindertagen
stehn vor mir bunt und klar,
Traum aus sandigen Farben,
Wüstenwind im offenen Haar.
Der Horizont, der im Blau zerfließt,
bizarre Felsen im Licht des Morgens.
Wenn die Erinnerung mich einholt,
will ich nach Haus.
von Georg Rössler
So könnte eine Beschreibung des „Neuen Nahen Ostens“ beginnen.
Und ein großes Hallo geht dabei an den Iran! Denn wie der Hunger das Essen in den Hals, treibt die Angst vor der schiitischen Achse Iran-Irak-Syrien-Libanon die arabisch-sunnitischen Staaten und Israel zueinander. Der Feind meines Feindes...
Die Beziehungen zwischen dem Staat Israel und den arabischen Ländern waren bis in die jüngste Vergangenheit vergleichbar mit einer geheimen und verbotenen Affäre: Besuche in der Nacht, um tagsüber und beim Anblick des anderen die Straßenseite zu wechseln. Diffamierung, wirtschaftlicher Boykott oder militärische Konfrontation bestimmten die offizielle Haltung der arabischen Welt gegenüber Israel, während unter dem Radarschirm munter wirtschaftliche, politische und geheimdienstliche Kanäle unterhalten wurden.
Die sunnitisch-arabische Welt kann es Trump und seinem Schwiegersohn Jared Kushner nur danken, mit leichtem Druck und großen Worten vor weniger als zwei Jahren in die „Abraham Accords“ vermittelt worden zu sein. Beziehungen mit Israel – was viele arabische Länder oft lange schon wollten und nur leider nicht durften. Wir erleben gerade einen Szenenwechsel in den regionalen Konstellationen, die uns von einer Überraschung in die nächste werfen:
Im März trafen sich die Staats- und Regierungschefs der Länder Israel, Ägypten und der Golf-Emirate in Sharm el-Sheich. Und eine Woche später trafen die Außenminister der Länder Israel, Bahrein, der Golf-Emirate, Marokko, Ägypten und der USA in der Negevwüste zusammen, gleich neben dem Kibbuz von David Ben-Gurion. Und gelächelt wurde nicht verkniffen, sondern von Herzen. Offiziell ging es hier wie dort um Öl und Erdgas, die Folgen des Ukraine-Krieges für die Region und den Austausch von landwirtschaftlichem Know-How. Nicht öffentlich, dafür wichtiger: der Aufbau eines regionalen Sicherheitsverbundes gegenüber dem Iran.
Unmittelbar praktische Ergebnisse aus den Begegnungen: Touristen aus den Emiraten erhalten normale Besuchervisa für Israel, tägliche Flüge verbinden Dubai und Tel Aviv, Vereinbarungen für zollfreien Warenverkehr, Investitionen aus den Golfländern in israelische Hotels und eine Beteiligung in einem der israelischen Erdgasfelder.
Ein Jahr nach den Abrahams Accords lag der Wirtschaftsaustausch zwischen den Golf-Emiraten und Israel schon bei über einer Milliarde Dollar, das vierfache des Handelsvolumens zwischen Israel und Ägypten...
Ägypten versucht, auf den Zug der wirtschaftlichen Möglichkeiten aufzuspringen: Während in der Vergangenheit Flüge zwischen Tel Aviv und Kairo diskret von der AirSinai bestritten wurden, fliegt heute die staatliche EgyptAir die Strecke. Neu auch die Einrichtung von Direktflügen zwischen Tel Aviv und Sharm el-Sheich. Weniger beachtet, dafür umso dramatischer für den neuen Zeitgeist ist, daß die ägyptische koptische Kirche nach 40 Jahren politischer Verweigerung jetzt ihren Segen für Pilgerreisen in das Heilige Land gegeben hat! Die Bedeutung dieser Entscheidung kann gar nicht überschätzt werden.
Diese Neuaufstellungen der Spieler Nahost beeinflussen auch die Türkei. Noch vor Jahr und Tag wurde sie von den Emiraten als der größte Feind der Region bezeichnet – gefährlicher als der Iran! Heute erleben wir hochrangige Besuche zwischen den Ländern und eindrucksvolle Investitionen der Emirate in der Türkei. Die Türkei bemüht sich auch um eine (Wieder)Annäherung an Ägypten und Saudi-Arabien, und nach 12 Jahren diplomatischer Eiszeit zwischen Israel und der Türkei sind eine Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen, der Austausch von Botschaftern und die Erneuerung militärischer und wirtschaftlicher Kooperation zwischen der Türkei und Israel auf dem Weg. Präsident Herzog besuchte im März Ankara, und für die kommenden Wochen wird tatsächlich ein Gegenbesuch von Präsident Erdogan in Jerusalem erwartet. Damit wackelt die Seilschaft von Türkei und Iran, das sichere Refugium für Hamas-Politiker und Muslimbrüder in der Türkei steht vor seinem Ende.
Der neue nahe Osten: Das sind nicht mehr allein (militär-)politische Interessen oder ein kalter Frieden wie etwa zwischen Israel mit Ägypten oder Jordanien. Es zeigt sich ein völlig neues Interesse und echte Neugier aufeinander. Insbesondere die Emirate heißen die Israels mit weit offenen Armen willkommen, während Israel sich zu einem neuen Reiseziel für arabische Sommerfrischler entwickelt, die dem zunehmend ungastlichen Libanon ausweichen wollen.
Es sind oft die kleinen Geschichten, in denen größere Veränderungen ihren Ausdruck finden. In diesen Tagen nahm die erste Delegation von arabisch-israelischen Jugendlichen über eine arabische-israelische NGO teil an dem sogenannten „Marsch der Lebenden“ von Auschwitz nach Birkenau. Aber auch ältere arabische Israelis, Muslime, Christen und Drusen wie auch Teilnehmer aus Marokko, Saudi-Arabien, dem Libanon und Syrien schlossen sich dem „Marsch der Lebenden“ an. Was nicht die Aufgabe einer palästinensischen Leidensgeschichte (Nakba) bedeutet, sondern den Versuch arabischer Menschen, über das eigene hinaus auch ein anderes Narrativ begreifen zu lernen. Und das ist für sich sehr bedeutsam, auch wenn die Shoah in der arabischen Welt weiterhin überwiegend als eine jüdische Erfindung abgetan (‚Es gab keine Shoah, und obendrein sind die Juden selber schuld...‘) oder gar nicht erst erwähnt wird.
Ebenfalls symbolhaft bedeutsam ist die Teilnahme einer offiziellen Delegation aus den Golf-Emiraten an diesem „Marsch der Lebenden“, mit einer offiziellen Fackelentzündung in Auschwitz. Und schon im letzten Jahr wurde eine ständige Holocaust-Gedenkausstellung in dem ‚Crossroads of Civilizations Museum‘ in Dubai eröffnet.
Das sind tektonische Bewegungen innerhalb der Region Nahost.
Wenig glücklich ist die palästinensische Autonomiebehörde. Die so völlig unverschleiert öffentliche Einbindung Israels in die neuen regionalen Allianzen zeigt, auf welch dünnen Füßen die arabische Solidarität gegenüber Palästinensern und einem Staat Falestin steht. Und nicht nur die arabische Welt setzt ihre Prioritäten neu: Der Krieg in der Ukraine, der irritierte Blick auf China, die iranische Atomisierung und nicht zuletzt der Klimawandel degradieren auch aus einer internationalen Perspektive das palästinensische Thema zu einem politischen ‚back-burner‘, der die Palästinenser weiterhin in einer fortgesetzten Perspektivlosigkeit hält. Aber - auch ein „back-burner“ kann sich zu einem Bumerang entwickeln, weil ein status quo wie der heutige auf jeden Fall keine Lösung darstellt.
Gleichzeitig müssen sich die Vertreter der palästinensischen Sache, Palästinensische Autonomiebehörde und Hamas-Regierung, aber auch die vielen Menschen aus Kirchen, Regierungsorganisationen und NGO-Kreisen, die sich für eine politische Zukunft der Palästinenser einsetzen, fragen (lassen), welche neuen und konstruktiven Ideen und Ansätze sie gegenüber einer solchen sich verändernden Realität entwickeln wollen. Die Formel „Frieden in Nahost nur über die Lösung der Palästina-Frage“ scheint nicht zu greifen.
Phönix aus der Asche: Die neuen, alten Spielregeln...
Die vergangenen zwei Monate haben uns allen ein lang und gut eingeübtes Verständnis von der Welt und ihrer Ordnung aus den Händen genommen: Phönix aus der Asche, das ist nicht nur die Überwindung von Corona und endlich wieder unmittelbare Begegnung zwischen Menschen. Es ist auch die Wiederauferstehung des Ost-Westkonfliktes, eines dann auch nicht mehr kalten, sondern ausgesprochen heißen Krieges, es ist das Ende von fast 80 Jahren eines befriedeten Europas. Mit einem einzigen Federstrich hat Herr Putin das Thema Corona vom Tisch gebracht, um mit seinem aberwitzigen Ukraine-Abenteuer die Themen fast der gesamten Welt neu festzulegen.
Nie wieder Täter! Nie wieder Opfer! Diese beiden fundamental entgegengesetzten Leitsätze hatten über lange Jahrzehnte zu einem immer wieder erneuten Nichtverstehen zwischen jüdischen Israelis und Deutschen geführt. Die positive Einstellung der Israelis zum Militär war von vielen Deutschen sehr kritisch betrachtet worden, während umgekehrt der Pazifismus junger und älterer Deutscher den jüdischen Israelis eher suspekt gewesen war. Hier scheinen sich mit Putin und Ukraine die Positionen ein klein wenig anzugleichen in dem Verstehen, daß halt niemand in Frieden leben kann, wenn sein Nachbar es nicht will.
Verzeihlich mag ein gewisser Sarkasmus sein, mit dem Menschen in Israel jetzt fragen, wieso denn die Europäer ihre Probleme mit dem russischen Zaren nicht über vernünftige Gespräche und fairen Ausgleich zu lösen im Stande seien. Vielleicht hat man sich einfach über zu viele Jahre entsprechende Anfragen aus Europa zur Lösung des arabisch/palästinensisch-israelischen Konfliktes anhören müssen...
… (Auch die jüngsten Erkundungen zur Entwicklung des Tourismus) waren umwerfend! Der Flughafen Ben Gurion warf zahllose Gruppen aus seinem Schlund oder saugte sie ein, wie das Atmen eines großen Ungeheuers. Am See Genezareth, in der Altstadt von Jerusalem, auf dem Carmel Mark in Tel Aviv drängelten sich Einzelreisende und Besuchergruppen, und nur für eine Wanderung und den Gottesdienst im Ramon-Krater war eine Gruppe für wenige Stunden allein und unter sich...
Das ganze verdanken wir – Omikron! Einer Variante, die uns zunächst in eine weitere Depression gestürzt hatte: Optimismus perdu, die Inzidenzwerte schossen in bis dahin nicht gewesener Weise weltweit durch die Decke. Das Ziel der … Weltverschwörung schien erreicht: Die Welt war rot! Aber – rasant in ihrer Ansteckungsbereitschaft, dafür beinahe „mild“ in ihren Symptomen, wurden erst Omikron, dann die BA2 Variante sehr schnell sowohl in medizinischen Kreisen wie auch der Öffentlichkeit begriffen als der Übergang von tödlicher Pandemie zu unerfreulicher Grippe. Omikron ist der „game-changer“! Und Reisen wieder möglich.
Probleme haben heute die Reiseagenturen, die ihre Mitarbeiter während der Pandemie freigestellt hatten, statt den Erhalt ihrer Team zu sichern. Die Besuchergruppen kommen, die Hotels füllen sich, Buchungen für das Jahr 2023 erreichen alte Zahlen und neue Spitzenzahlen, und so manche Unterkünfte wie auch viele der guten Guides sind schon heute und weit im Voraus ausgebucht...
Israel ein sicheres Reiseland?
Die letzten Wochen waren eine echte Herausforderung: Ramadan der Muslime, Ostern der westlichen Kirchen, Ostern der Orthodoxen, die jüdische Pessach-Woche, und das alles gleichzeitig und nebeneinander. Reiselogistisch die Hölle, dabei auch viel Raum für potentiellen Konflikt. Der dann nicht eingetreten ist. Das Gerangel auf dem Areal des Haram ash-Sharif/Tempelberg war dann auch mehr eine Pflichtübung, die sich Radikale vor Ort regelmäßig leisten, die aber nicht zu den angestrebten Eskalationen führten. Drei Attentate von islamistischen Schläfern kamen überraschend, hatten aber ebenfalls keine Nachwirkungen. Bemerkenswert waren allerdings die dramatischen Schlagzeilen dazu in der internationalen Presse, die mehr oder weniger den Bürgerkrieg im Heiligen Land suggerierten. Dieser journalistische Reflex mag die Folge einer jahrzehntelangen Fixierung auf den Nahost-Konflikt sein. Die regelmäßig dramatische Berichterstattung zu Geschehnissen im Heiligen Land ist aber auch deswegen so bemerkenswert, als Attentate von Radikalen oder Islamisten seit vielen Jahren in Europa und der Welt als Normalität begriffen und entsprechend wesentlich unaufgeregter berichtet werden.
Diese Disparität fällt in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten natürlich auf. Denn hier kommen Besucher eigentlich nur beim Autofahren ums Leben.
Aber das hilft uns nicht groß. Es geht um Wahrnehmung, die dann oft mehr über die Berichterstattung und ihre Adressaten als über das tatsächliche Geschehen vor Ort aussagt.
Wir freuen uns jedenfalls, euch bald wieder in einem sicheren heiligen Land begrüßen zu dürfen!
Die Lufthansa verweigerte jüdischen Passagieren, jedenfalls allen solchen, die irgendwie als Juden zu erkennen gewesen seien, auf dem Frankfurter Flughafen den Weiterflug – so lautet der Vorwurf. Zwei von ihnen sollen zuvor das Tragen einer Maske verweigert haben.
BILD TV berichtete ausführlich, doch andere Medien zitierten anschließend nur knapp – oder fanden das nicht mitteilenswert.
Der Vorfall ereignete sich am 4. Mai. Die Lufthansa untersucht ihn nach eigener Aussage noch immer. Ob wir das Ergebnis erfahren werden?
Chaim Noll nennt das Ganze in einem Kommentar bei der „Achse des Guten“ „Deutsche Juden-Selektion 2022“. Er fragt sich:
Wäre auch ich von den Lufthansa-Angestellten als Jude erkannt und aussortiert worden? (…)
Und dann muss man bei einem Flug aus New York fürchten, dass sich noch andere Juden an Bord befanden, solche, die nicht „als Juden erkennbar“ waren. Es gibt Juden ohne Kipa, blonde Juden, blauäugige, geradezu „arisch“ aussehende Exemplare. Und es ist ungerecht, nur einige Juden zu bestrafen und andere ungeschoren zu lassen. Sollte man vielleicht, um den Lufthansa-Angestellten die Selektion zu erleichtern, wieder für alle Juden äußere Kennzeichen einführen, wie den Judenstern, den gelben Fleck oder den spitzen Hut?