ahavta+ lernt über den Schabbat
Aus der Tora natürlich leitet der Thüringer Landesrabbiner Alexander Nachama im Gespräch mit mir in der neuen Folge der Reihe „Frag den Rabbi!“ die Bedeutung des Schabbat ab. Zum einen hat dieser seinen Ursprung in der Schöpfung, weil Gott selbst am 7. Schöpfungstag Schabbat machte. Zum anderen ordnen die Zehn Gebote an, des Schabbats zu gedenken (2. Mose) bzw. ihn zu halten (5. Mose).
Rabbiner Nachama geht auf die beiden unterschiedlichen Begründungen der Gebote ein. Wie sind weiterhin die verschiedenen Wortlaute der beiden Gebote zu verstehen? Stehen sie etwa im Widerspruch zueinander, wenn es einmal „sechor“, Gedenke!, und dann „schemor“, Halte!, heißt?
Schließlich erläutert der Rabbiner, was „ruhen“, also Schabbat machen, eigentlich bedeutet und wie das geht.
Die vorangegangenen Folgen meiner Videothek des jüdischen Lebens kannst du unter dem folgenden Link aufrufen:
„Gott segnete den siebenten Tag“ heißt es in 1. Mose 2,3. Im Midrasch Bereschit Rabba 11 wird die Frage aufgeworfen: „Weshalb hat Gott den Schabbat gesegnet?“
Rabbi Dostai meinte: Weil er keinen Gefährten hat; denn auf den ersten Wochentag folgt der zweite, auf den dritten der vierte, auf den fünften der sechste. (Alle haben einen Partner – und der Lehrer kann so interpretieren, weil die Wochentage im Hebräischen keinen Namen tragen, sondern Tag 1, Tag 2, Tag 3 usw. heißen) Der siebente Tag aber bleibt einsam.
Rabbi Schmuel bar Nachman sagte: Der auszeichnende Segen des Sabbats besteht darin, dass er niemals wie die anderen Feste, selbst der Versöhnungstag, auf einen anderen Tag verlegt wird (und so wenigstens gelegentlich einen Partnertag erhielte…).
Rabbi Schimon ben Jochai lehrte: Der Sabbat beschwerte sich vor Gott und sprach: Herr der Welt, alle Wochentage haben einen Partner, bloß ich bin vereinsamt! Da sagte Gott zu ihm: Israel soll dein Partner (Lebensgefährte) sein. Als nun späterhin die Kinder Israels am Berge Sinai die Tora empfingen, sprach Gott zu ihnen: Seid der Zusicherung eingedenk, die ich einst (bei der Schöpfung) dem Sabbat gegeben habe. Dies ist der Sinn des Gebotes: Gedenke des Sabbattags, ihn zu heiligen (nämlich ihn zum Gefährten zu nehmen, so wie sich ein Mann seine Braut „anheiligt“).
Die Übersetzung folgt Moritz Zobel, Der Sabbat. Sein Abbild im jüdischen Schrifttum, seine Geschichte und seine heutige Gestalt, Berlin 1935. Die Klammeranmerkungen sind von mir.
In der St.George-Vorlesung 2000 sagte Rabbiner Jonathan Sacks auf Windsor-Castle unter anderem:
Mehrere griechische und lateinische Schriftsteller der Antike sagen, die Juden würden den Sabbat halten, weil sie faul seien. Das Konzept eines heiligen Tages war jeder antiken Kultur vertraut. Das Besondere am Sabbat war, dass er ein Tag der Ruhe war, eine Zeit, deren Heiligkeit in der Beendigung der Arbeit zum Ausdruck kam.
Der Sabbat bedeutete und bedeutet viele Dinge. Er war ein Protest gegen die Sklaverei. An einem von sieben Tagen teilte jeder Mensch die dieselbe Freiheit, atmete die dieselbe Luft der Freiheit. Er erinnerte daran, dass der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Grenzen gesetzt sind. Wie die Sabbat- und Jubeljahre war er eine Zeit, zu der die Erde ruhte. So sollten wir daran erinnert werden, dass wir nicht nur Schöpfer, sondern auch Geschöpfe sind und somit die Aufgabe haben, die natürliche Welt für künftige Generationen zu bewahren. Aber er hat auch etwas mit der Natur des Glücks zu tun. Man erzählt sich die Geschichte des Mystikers Rabbi Levi Jizchak von Berditschew aus dem 18. Jahrhundert, der eines Tages aus seinem Fenster sah und die Menschen auf dem Platz unter ihm rennen sah. „Warum rennst du so?“, fragte er einen Passanten. „Um Geld zu verdienen“, antwortete er. „Was macht dich so sicher, dass dein Lebensunterhalt vor dir liegt und du rennen musst, um ihn einzuholen“, sagte der Rabbi. „Vielleicht liegt er ja hinter dir, und du musst stehen bleiben, damit er dich einholen kann! Der Sabbat ist die Zeit, in der wir stehen bleiben und unseren Segen zu uns kommen lassen.
Griechenland befand sich zur Zeit der Bibelübersetzung auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seine Errungenschaften in der Kunst, Architektur, Dramatik und Philosophie sind nach wie vor Ehrfurcht gebietend. Doch innerhalb von zwei Jahrhunderten begann dessen Niedergang, um dann von der Macht Roms abgelöst zu werden – während das Judentum trotz seiner tragischen Geschichte überlebte. Ich frage mich, ob die Erklärung nicht in dieser Episode zu finden ist. Könnte es sein, dass Zivilisationen wie Individuen anfällig für Burn-out, für Erschöpfung sind? Könnte der Sabbat nicht eines der großen Elemente für die Nachhaltigkeit einer Kultur sein? Ist das vielleicht der Grund, warum das Judentum und seine Tochter-Monotheismen, das Christentum und der Islam, überlebt haben, während so viele andere Zivilisationen verblassten und verschwanden?
Der hebräische Schriftsteller Achad haAm sagte einmal, dass nicht das jüdische Volk den Sabbat bewahrte, sondern der Sabbat das jüdische Volk bewahrte. Juden sind nicht gegen die Marktwirtschaft oder den technischen Fortschritt; wir begrüßen sie vielmehr. Aber der Sabbat ist ein notwendiges Gegenstück, so wie es am besten von einem unserer alten Weisen ausgedrückt wird, der sagte: „Wer ist reich? Derjenige, der sich über das freut, was er hat“. Der unerbittliche Druck der Konsumgesellschaft, uns über das zu definieren, was uns fehlt, und nicht über das, was wir haben, fordert einen hohen Tribut in einer Kultur, die keinen Gegenpol hat. Die Umwandlung des Sonntags von einem Tag der Ruhe in einen Tag des Einkaufens ist nicht nur ein kleiner, sondern ein großer Wandel und meines Erachtens ein großer Fehler.
Wie das Potsdamer Kolleg für liberale Rabbiner bestätigt, wurde ein Student von einer Lehrkraft sexuell belästigt – dem Ehemann des Rektors Walter Homolka. Seit WELT den Fall recherchiert, wird der Skandal immer größer. Im Fokus steht der so umtriebige wie umstrittene Rektor selbst.
Die Zeitung „WELT“ leitet so einen Beitrag des freien Autors Alan Posener, geboren 1949 in London, ein. Ich stelle dir seinen Artikel zum Download zur Verfügung.