ahavta - Begegnungen

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der ahavta adventskalender • 18

Das 18. Tor im Warten auf das Fest der Geburt von Jesus von Nazaret

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Ricklef Münnich
Dez. 18, 2025
∙ Bezahlt

In diesem Jahr enthält der ahavta adventskalender 24 Zitate, die mir etwas bedeuten. Von Jüdinnen und Juden, die etwas weiterzugeben haben. In den Tagen des Chanukka-Festes nehmen sie darauf Bezug.

Amnon Seelig sang zum vierten Licht des Chanukkafestes „Nerotai haSe’irim“, die zionistische Fassung des Gedichts von Morris Rosenfeld „O, ir klejne lichtelech“.

Chanukka • das 4. Licht || O, ir klejne lichtelech

Chanukka • das 4. Licht || O, ir klejne lichtelech

Ricklef Münnich
·
Dec 17
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Bei Morris Rosenfeld fungieren die Chanukka-Lichter nicht als reine Freudenspender, sondern als tränenreiche Zeugen einer fehlenden Souveränität, die im späten 19. Jahrhundert die drängende Frage nach der physischen Zukunft der Juden in Europa aufwarf. Die letzte Strophe lautet in einer Übertragung aus dem Jiddischen:

O, ihr kleinen Lichterlein,
Eure alten Geschichtelein
Wecken meine Pein;
Tief im Herzen regt es sich,
Und mit Tränen fragt es sich:
„Was wird nunmehr sein?“

Morris Rosenfeld zeigt uns, dass Chanukka für Jüdinnen und Juden oft eine Feier des Überlebens „trotz allem“ ist. Für die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft in Deutschland bietet dieses Gedicht einen Schlüssel zum Verständnis einer tief sitzenden Wachsamkeit: Die Lichter im Fenster sind nicht nur festlicher Schmuck, sie sind ein trotziges Signal der Existenz in einer oft feindlichen Umgebung.

Die Chanukkia von Rosi Rachel Posner in Kiel, 1932

Siehe dazu ausführlicher:
https://plus.ahavta.com/i/94138783/chanukka-das-licht-ist-starker

Die letzte Strophe – „Was wird nun aus uns werden?“ – darf uns nicht ruhen lassen. Im späten 19. Jahrhundert trieb diese Frage Menschen in die Emigration oder ließ sie vom Zionismus träumen, weil Europa keine Antwort gab. Heute, im Jahr 2025, wird diese Frage wieder auf deutschen Straßen gestellt, leise in Wohnzimmern und laut in Statistiken, die von Hass und Bedrohung zeugen.​

Es kann nicht nur an einzelnen liegen, die Antwort auf Rosenfelds bange Frage neu zu schreiben. Das historische „Nirgendwohin“ darf sich nicht wiederholen. Empathie bedeutet hier nicht nur, „Frohes Chanukka“ zu wünschen, sondern zu begreifen, dass hinter dem Licht der Kerzen oft der Schatten einer traumatischen Geschichte lauert – und die reale Angst, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist. Unsere Aufgabe ist es, die Dunkelheit um diese Lichter herum so hell zu machen, dass die Frage nach der Sicherheit überflüssig wird.

Meditationsfrage:

Wo stehe ich – mit meinen Worten, meinem Schweigen, meinen Entscheidungen – in Bezug auf die Frage „Was wird nun aus uns werden?“ Trage ich dazu bei, dass jüdisches Leben hier sicherer werden kann, oder verlasse ich mich darauf, dass „andere“ sich darum kümmern?


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