Schalom,am Mittwoch jährt sich die „Reichskristallnacht“ zum 84. Mal. In einer ansehnlichen Stadt in Norddeutschland gibt es ein Schuhgeschäft, eingerichtet wie unzählige andere auch. Nur in einem unterscheidet es sich. An hervorgehobener Stelle hängt eine kunstvoll geschnitzte Tafel. Sie verzeichnet das Eröffnungsjahr des Geschäftes zu Anfang des 16. Jahrhunderts, sodann in eindrücklicher Kolumne die Jahre, in denen es den Eigentümer gewechselt hat. Neben den Jahren ist der Kaufpreis aufgeführt. Nur zweimal fehlt er, einmal im 18. Jahrhundert, ein zweites Mal neben der Jahreszahl 1938. Jahreszahl und leerer Fleck, aussagekräftig über den Einzelfall hinaus, führen ohne Worte zurück in unsere … Vergangenheit. (Peter von der Osten-Sacken, Die Gegenwart des Vergangenen – 60 Jahre „Reichskristallnacht“, in: Humboldt 2, 1998/99 (43. Jg.), 5.11.1998, 11)Über 2000 Synagogen und Betstuben wurden in jener Nacht in Deutschland vom 9. auf den 10. November 1938 in Brand gesteckt oder völlig zerstört. In dieser Zahl spiegelt sich nichts von den zahllosen Brandschatzungen und Plünderungen von Häusern und Geschäften und schon gar nichts von den misshandelten, geschlagenen, in die KZs verschleppten, ermordeten oder erschlagenen Juden, von denen die Anzahl kaum zu ermitteln ist. Das gilt auch von denen, die sich in den nachfolgenden Wochen aus Verzweiflung das Leben nahmen.Um eine Ahnung von den Misshandlungen in jenen Stunden neu hervorzurufen, gebe ich Worte des Erfurter Rechtsanwalts Karl Heilbrunn wieder. Er beschrieb, wie er von einer Stunde auf die andere sein bisheriges (rechtlich bereits sehr eingeschränktes) bürgerliches Leben verlor.Eine zweite jüdische Stimme im heutigen Mitgliederbrief stammt von dem morgen, Montag, vor zwei Jahren zu früh verstorbenen britischen Rabbiner Jonathan Sacks. Er fragt nach Gott angesichts der willkürlichen Verelendung der Juden und des an ihnen verübten Völkermords, für die die „Reichskristallnacht“ den Auftakt abgab.Die dritte jüdische Stimme sind als ein optisches Gegenüber Bilder des 1903 im russischen Dwinsk (heute Daugavpils in Lettland) geborenen Marcus Rothkowitz. Die Familie wanderte 1913 wegen der zahlreichen antisemitischen Pogrome im Zarenreich in die USA aus. Dort nahm Rothkowitz 1940 den Namen Mark Rothko an. Am 25. Februar 1970 beging er in New York Selbstmord.Ein Bild lebt in Gemeinschaft, indem es sich in den Augen des einfühlsamen Betrachters entfaltet und dadurch in ihm auflebt. Es stirbt, wenn diese Gemeinschaft fehlt. Deshalb ist es ein gewagtes und gefühlloses Unterfangen, ein Bild in die Welt zu entsenden. (Mark Rothko, 1947)Ich wünsche dir a gut woch sowie einen gesegneten Sonntagdein Ricklef Münnich
Diesen Post teilen
ahavta+ || Gott und die Judenvernichtung
Diesen Post teilen
Schalom,am Mittwoch jährt sich die „Reichskristallnacht“ zum 84. Mal. In einer ansehnlichen Stadt in Norddeutschland gibt es ein Schuhgeschäft, eingerichtet wie unzählige andere auch. Nur in einem unterscheidet es sich. An hervorgehobener Stelle hängt eine kunstvoll geschnitzte Tafel. Sie verzeichnet das Eröffnungsjahr des Geschäftes zu Anfang des 16. Jahrhunderts, sodann in eindrücklicher Kolumne die Jahre, in denen es den Eigentümer gewechselt hat. Neben den Jahren ist der Kaufpreis aufgeführt. Nur zweimal fehlt er, einmal im 18. Jahrhundert, ein zweites Mal neben der Jahreszahl 1938. Jahreszahl und leerer Fleck, aussagekräftig über den Einzelfall hinaus, führen ohne Worte zurück in unsere … Vergangenheit. (Peter von der Osten-Sacken, Die Gegenwart des Vergangenen – 60 Jahre „Reichskristallnacht“, in: Humboldt 2, 1998/99 (43. Jg.), 5.11.1998, 11)Über 2000 Synagogen und Betstuben wurden in jener Nacht in Deutschland vom 9. auf den 10. November 1938 in Brand gesteckt oder völlig zerstört. In dieser Zahl spiegelt sich nichts von den zahllosen Brandschatzungen und Plünderungen von Häusern und Geschäften und schon gar nichts von den misshandelten, geschlagenen, in die KZs verschleppten, ermordeten oder erschlagenen Juden, von denen die Anzahl kaum zu ermitteln ist. Das gilt auch von denen, die sich in den nachfolgenden Wochen aus Verzweiflung das Leben nahmen.Um eine Ahnung von den Misshandlungen in jenen Stunden neu hervorzurufen, gebe ich Worte des Erfurter Rechtsanwalts Karl Heilbrunn wieder. Er beschrieb, wie er von einer Stunde auf die andere sein bisheriges (rechtlich bereits sehr eingeschränktes) bürgerliches Leben verlor.Eine zweite jüdische Stimme im heutigen Mitgliederbrief stammt von dem morgen, Montag, vor zwei Jahren zu früh verstorbenen britischen Rabbiner Jonathan Sacks. Er fragt nach Gott angesichts der willkürlichen Verelendung der Juden und des an ihnen verübten Völkermords, für die die „Reichskristallnacht“ den Auftakt abgab.Die dritte jüdische Stimme sind als ein optisches Gegenüber Bilder des 1903 im russischen Dwinsk (heute Daugavpils in Lettland) geborenen Marcus Rothkowitz. Die Familie wanderte 1913 wegen der zahlreichen antisemitischen Pogrome im Zarenreich in die USA aus. Dort nahm Rothkowitz 1940 den Namen Mark Rothko an. Am 25. Februar 1970 beging er in New York Selbstmord.Ein Bild lebt in Gemeinschaft, indem es sich in den Augen des einfühlsamen Betrachters entfaltet und dadurch in ihm auflebt. Es stirbt, wenn diese Gemeinschaft fehlt. Deshalb ist es ein gewagtes und gefühlloses Unterfangen, ein Bild in die Welt zu entsenden. (Mark Rothko, 1947)Ich wünsche dir a gut woch sowie einen gesegneten Sonntagdein Ricklef Münnich