ahavta+ || „Mit unseren Händen nach Jerusalem Frieden“
Der glühende Zorn kommt / Mit schrecklichen Rennrossen kommt er / Und geschlagen wird werden das Antlitz der Gewalt (…)/ Und mit unseren Händen werden wir den Glanz Jerusalems zurückbringen (Fairuz)
In Erfurt geht heute der 103. Deutsche Katholikentag des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu Ende. Moderiert von Dr. Muriel Asseburg gab es gestern eine „Veranstaltung aus aktuellem Anlass“ unter dem Titel „Israelis, Palästinenser:innen und die deutsche Verantwortung“. Sie ist die einzige im reichhaltigen Programm des Katholikentages, die sich dem Überfall aus Gaza auf Israel und den Folgen widmet. Auf Vimeo kannst du die Aufzeichnung der Veranstaltung anschauen.
Was mich verwundert: Warum wird auf einer Versammlung von Christinnen und Christen über die deutsche Verantwortung gegenüber Israelis und Palästinenser:innen gesprochen? Wenn du die „Panelisten“, wie Frau Asseburg sie nennt, anschaust, unterstreicht die Zusammensetzung des Podiums meine Frage: Dr. Shira Efron, Forschungsleiterin im Israel Policy Forum, Tel Aviv, saß neben Dr. Usama Antar (bis Dezember 2023 Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung im Gaza-Streifen), Michael Roth (SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses) und Jürgen Hardt (außenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag).
Erwarten würde ich bei einem Katholiken- oder auch Kirchentag eine Veranstaltung unter einer Überschrift: Der Pogrom des 7. Oktober 2023 in Israel und christliche Verantwortung (siehe dazu auch ahavta+ vom vergangenen Sonntag).
Ich verstehe, dass „die deutsche Verantwortung“ von Außenministerin Annalena Baerbock so formuliert wird:
…was ich gerade gesagt habe, dass wir dringend diese Einigung, manche nennen es Deal, brauchen, dass alle Geiseln freikommen können und zugleich alle humanitäre Hilfe reinkommen muss, damit wir zu einer Feuerpause kommen, aber das können wir nur erreichen, wenn es dazu führt, dass wir mit beiden Seiten entsprechend sprechen, und ich glaube, das ist der Blick von einer Außenpolitik, ja, einer wertegeleiteten Außenpolitik, die nicht einen Menschen über den anderen stellt, sondern deutlich macht, es geht uns um das Leben von israelischen Menschen, und es geht uns um das Leben von Palästinensern…
Doch Christen brauchen nicht mit beiden Seiten entsprechend [zu] sprechen. Mit Palästinensern müssen sie – abgesehen von persönlichen Begegnungen und dem Gespräch mit palästinensisch-christlichen Gemeinden (siehe hierzu auch ahavta+ vom 28. April: „Christen im Nahen Osten und das Wort von der Versöhnung“ – überhaupt nicht sprechen. Palästinensisches Leid werden Christen in ihrer Fürbitte vor Gott bringen – ebenso wie das gegenwärtige Leid der Menschen im russisch-ukrainischen Krieg oder in den Bürgerkriegen in Äthiopien und Myanmar.
Anders mit Israel! Mit dem jüdischen Volk, lebe es im Staat Israel oder in unserer Mitte, sind wir über das Alte und Neue Testament und den Messias Jesus so verbunden, dass dessen Leid auch unser Leid ist. Daraus erwächst unter anderem die Verantwortung, so genau wie möglich wahrzunehmen, was Jüdinnen und Juden in Deutschland und in Israel empfinden und denken.
Das ist der Grund, weshalb ich seit Oktober täglich Nachrichten, Stimmen und Meinungen aus Israel für dich auf deutsch wiedergebe. Siehe dazu hier:
Dazu gehört auch, den Feiertagskalender Israels für mich selbst wahrzunehmen und als Christ darauf zu reagieren. Mittwoch wird im Staat Israel Jom Jeruschalajim, der Jerusalem-Tag, als nationaler Feiertag (seit 1998) begangen. Er liegt auf dem 28. Ijar des jüdischen Kalenders. An diesem Tag wird die Wiedervereinigung Jerusalems durch die militärische Eroberung des jordanischen Ostteils der Stadt im Sechs-Tage-Krieg 1967 gefeiert. Durch den israelischen Sieg wurden die beiden seit 1948 getrennten Teile von Jerusalem unter israelischer Kontrolle zusammengeführt.
Jeder, der sich noch an die Teilung Berlins erinnert, wird die Freude über ein ungeteiltes Jerusalem nachempfinden können. Freilich ist der Tag auch immer wieder zu politischen Demonstrationen der Stärke gegenüber der arabischen Einwohnerschaft Jerusalem missbraucht worden. Doch eine christliche Teilhabe am Jom Jeruschalajim wird vor allem an die Bedeutung Jerusalems in Judentum und Christentum erinnern. Davon soll in der heutigen Ausgabe die Rede sein.
Damit meine These, dass ein organisiertes christliches Gespräch mit Palästinensern nicht zur christlichen Weltverantwortung gehört, nicht missverstanden wird, stelle ich dir außerdem einen lyrischen Liedtext einer libanesischen Christin über Jerusalem als Stadt des Gebets vor.
Eine gute Woche beginnend mit einem schönen Sonntag wünscht dir
dein Ricklef Münnich
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie ahavta - Begegnungen, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.