ahavta+ || Der Jesus der Evangelien
„Wie könnt ihr euch gegen ein Volk stellen, das mit der Gestalt (Jesu), der eure ganze Zuwendung gilt, so unlöslich verbunden ist?“
Von unterwegs schreibe ich dir heute. Am nächsten Sonntag erfährst du den Ort, den ich besuche, und von den Menschen, die dort gelebt haben. Daher diesmal kein längerer Text von mir. Jedoch eine wichtige Ergänzung zu den Gedanken der vergangenen Woche, Wer war Jesus im Zeugnis der Evangelien? Peter von der Osten Sacken vertieft manche Aspekte, setzt aber auch teilweise andere Akzente.
Als Mitglied von ahavta+ sende ich dir einen Ausschnitt eines längeren Textes. Der Jesus der Evangelien ist das Kapitel überschrieben1. Du erhältst es zugleich in einer Audiofassung. Ich weiß, dass eine Leserin nur mehr ein sehr eingeschränktes Sehvermögen besitzt. Manche hören Texte grundsätzlich lieber als sie zu lesen. Daher füge ich eine kleine Umfrage an, ob du auch künftig ahavta+ als Sprachaufnahme empfangen möchtest.
Es ist nicht meine Absicht, mich immer wieder mit Abt Nikodemus Schnabel auseinanderzusetzen. Er ist es, der derzeit in kurzen Abständen Aufmerksamkeit bekommt – und vielleicht auch sucht. Dazu zunächst ein paar kurze Anmerkungen.
Ich wünsche dir Schalom für einen schönen Sonntag und eine gute Woche
dein Ricklef Münnich
Klare Kante
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, besuchte in der vergangenen Woche Israel. Der Abt der Benediktiner auf dem Zionsberg, Nikodemus Schnabel, führte sie am Mittwoch durch die Altstadt. Dabei überquerten sie auch den Platz vor der einstigen Westmauer des Jerusalemer Tempels, in Deutschland meist Klagemauer genannt. Dabei wurde der Abt von einer jungen Mitarbeiterin der Western Wall Heritage Foundation angesprochen: Sie respektiere seine Religion, aber das Kreuz sei wirklich groß und unangemessen für diesen Ort. Sie bat ihn, dieses zu verdecken. Ein Journalist des SPIEGEL nahm die Szene auf: https://twitter.com/PaterNikodemus/status/1681554648790908929.
Das Video wurde bei Twitter bis jetzt 1,3 Millionen mal aufgerufen und fand entsprechend in deutschen Medien breites Interesse. Dabei „verrutschte“ manche Information. Anders als die FAZ berichtete, kam es nicht zu einem Eklat an der Klagemauer. Daher ist der Vergleich der Zeitung mit dem Besuch von Papst Benedikt 2009 an der Klagemauer irreführend. Abt Nikodemus weist selbst richtig darauf hin: Ich war keinesfalls im Gebetsbereich, da würde ich auch immer sensibel sein. (…) Ich war nur auf dem Platz vor dem Gebetsbereich, wo auch jüdische Männer keine Kippa tragen müssen. Das ist ein öffentlicher Raum.
Es ist gut und richtig: Nikodemus Schnabel hat klare Kante gezeigt. Die Mitarbeiterin der Stiftung Erbe der Westmauer hat eindeutig einen Fehler gemacht. Es gibt auch keine neuen Regeln, die das Tragen nichtjüdischer religiöser Symbole auf dem öffentlichen Vorplatz vor der Westmauer einschränken. Entsprechend veröffentlichte die Stiftung eine Entschuldigung: Wir entschuldigen uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten. Die Klagemauer ist für alle offen, heißt es in einer Stellungnahme der Organisation. Die höfliche Anfrage der Mitarbeiterin sei aus Respekt vor dem Besucher und der Stätte erfolgt. Die Entscheidung des Abtes, sein Kreuz nicht abzudecken, sei respektiert worden.
Für Ministerin Stark-Watzinger war der Fall damit erledigt. Nicht aber für Abt Nikodemus Schnabel:2
Ich habe diese Entschuldigung selbst nicht bekommen. Das hat mich nicht erreicht. Ich müsste noch einmal schauen. Wir haben so viele Übergriffe dieses Jahr im Kleinen und Großen gehabt. Hinterher wird das dann immer entschuldigt und als Einzelfall weggelächelt. Das ist einfach ermüdend.
Was es jetzt braucht und da warten wir Christen schon lange drauf, ist eine Reaktion von allerhöchster Stelle, vom Ministerpräsidenten, von der derzeitige(n) Regierung.
Klare Kante zeigte Schnabel nicht nur selbst, sondern erwartet diese nun auch von Benjamin Netanjahu: Es muss mal ganz klare Kante gezeigt werden, dass es so nicht geht. Da ist das Schweigen mehr als auffällig. Und da ist der Abt wieder bei seinem Leitthema, das er auch nach seiner berechtigten Beschwerde anführte, dass er im jüdischen Viertel der Altstadt Jerusalems angespuckt wurde: man merkt, dass die derzeitige Regierung nicht nur ignorant gegenüber dem Problem ist, sondern Teil des Problems.
Es ist der Abt der Dormitio, der jedes Vorkommnis – das freilich nicht vorkommen sollte – unverzüglich politisiert: Es ist schmerzhaft zu erleben, wie das Klima in dieser wundervollen Stadt sich unter der neuen Regierung immer mehr zum Unguten verändert.3
Freilich würde ich nicht erneut darauf hinweisen, wenn der damalige Prior Administrator der Dormitio-Abtei in Jerusalem, Nikodemus Schnabel, 2016 im Blick auf den „Tempelberg“, der unter muslimischer Verwaltung steht, nicht ganz anders argumentiert hätte. Damals hatten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, ihre Kreuze auf dem Tempelberg verdeckt. Im Interview mit domradio.de sagte Schnabel dazu:
Ich glaube, kein Teilnehmer hat gedacht, dass so ein großes Bohei darum gemacht wird. (…) Ich lade ein, mich als Mönch, der kein Brustkreuz trägt, durch Jerusalem zu begleiten und zu erleben, welche Reaktionen ich da bekomme. (…) Die Frage ist die, wie ich mich bewege. Bewege ich mich im Respekt vor den Heiligtümern der anderen? (…) Für mich ist es auch eine Frage der Sensibilität, wie man sich in diesem hochemotionalen Gelände bewegt. (…) Ich würde mir in dieser Diskussion weniger Emotionalität wünschen. Man sollte mehr auf die Jerusalemer hören, die sich vor Ort seit Jahren bewegen und dort leben. (…) Es ging meiner Ansicht nach eher darum, ein „Islam-Bashing“ zu provozieren, als sich mit dem Thema argumentativ und sachlich auseinanderzusetzen.
Ist es überzogen, wenn ich der Ansicht bin, es geht Nikodemus Schnabel eher darum, ein „rechte-Regierung-Israels-Bashing“ zu betreiben, als sich mit dem Thema Christen im Staat Israel argumentativ und sachlich auseinanderzusetzen? Kein Wunder, dass das Deutsche Vertretungsbüro Ramallah … dessen (Schnabels) Sorge „über den schwindenden Raum für einige Religionen“ in Jerusalem teilt.4 Aber das alles aufgehängt an dem Fehler einer etwa 20-jährigen jüdischen Frau?
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