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Schabbat Behaalotcha || Warum auch ein Mose normale Regeln befolgen soll

Kantor Amnon Seelig: „Auch der Bescheidenste, auch der Größte, auch ein großer König, egal wer: Wir sind dafür da, ein normales Leben zu führen.“

Aus Mannheim spricht Kantor Amnon Seelig über den Wochenabschnitt Behaalotcha („Wenn du aufsteckst“) im 4. Buch Mose 8–12. Er konzentriert sich in seiner Auslegung auf die Geschichte von Moses' kuschitischer Frau aus dem Kapitel 12, Verse 1-3.


Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:


In den genannten Versen heißt es, dass Miriam und Aaron gegen Moses sprechen wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hat – eine Frau aus Kusch, also eine schwarze Frau.

Amnon stellt zunächst klar, dass Moses bereits mit Zippora, der Tochter des Oberpriesters von Midian, verheiratet ist. Die meisten Ausleger sind seiner Darstellung nach der Meinung, dass die kuschitische Frau und Zippora identisch sind – es handelt sich also nicht um eine zweite Frau. Da Moses über 80 Jahre alt ist und seit Jahrzehnten verheiratet, stellt sich die Frage, warum diese Geschichte jetzt aufkommt.

Die rabbinische Tradition interpretiert diese Erzählung weit entfernt vom Rassismus. Der Midrasch Sifre, eine etwa 2000 Jahre alte Auslegung, erklärt, dass Miriam bemerkt hat, wie Moses seine ehelichen Pflichten vernachlässigt. Zippora schmückt sich nicht mehr, weil Moses "darauf nicht achtet" - er führt keine intimen Beziehungen mehr mit seiner Frau.

Die Bedeutung der Bezeichnung „kuschitisch“

Amnon erläutert Raschis Auslegung zur Bezeichnung „kuschitisch“: Alle erkennen Zipporas Schönheit, so wie jeder die Schwärze eines Afrikaners anerkennt. In der hebräischen Gematrie entspricht der Zahlenwert von „kuschit“ (kuschitische Frau) dem von „jefat mare“ (schöne Frau). Die Tora erwähnt sie als „schwarz“ nicht wegen ihrer Hautfarbe, sondern wegen ihrer offensichtlichen Schönheit.

Die eigentliche Kritik der Geschwister

Miriam und Aaron kritisieren Moses nicht wegen seiner Frau, sondern wegen seiner Selbsterhöhung. Sie fragen: „Redet denn nur zu Moses der Ewige, redet er denn nicht auch zu uns?“ Als Propheten haben auch sie Geschlechtsverkehr mit ihren Ehepartnern, während Moses sich wie ein Mönch verhält.

Moses' Bescheidenheit als Anklage

Der Vers über Moses' Bescheidenheit ist laut Seelig keine Aussage der Tora, sondern Fortsetzung der Beschwerde seiner Geschwister. Sie argumentieren: Wenn Moses der bescheidenste Mensch der Erde ist, warum macht er dann, was kein anderer Mensch macht? Der Tora-Ausleger Abrawanel aus dem 15. Jahrhundert beschreibt dies als Entfernung vom natürlichen Weg und von der Notwendigkeit, Menschen zu zeugen.

Die zentrale Botschaft

Seelig betont, dass die Tora lehrt: Kein Mensch ist besser als andere, niemand schafft sich eigene Regeln, und für niemanden gelten andere göttliche Regeln. Selbst der Größte und Bescheidenste muss ein normales Leben führen – dafür sind Menschen da. Diese Geschichte kritisiert Moses' Selbsterhöhung und seine Entfernung von der Gemeinschaft und seiner Frau.


Die Tora-Auslegung des Rabbiners kannst du auch als Podcast hören – in der „Substack“-App oder überall, wo es Podcasts gibt – unter dem Titel „Wort zum Schabbat“.