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Schabbat Ki Tawo || Schofar, Schma und Schalom

Rabbiner Andrew Steiman deutet den Wochenabschnitt als Ruf zum Hören: Das Schofar weckt, das Schma verbindet Hören und Tun – für eine freie Gesellschaft und erneuerte Hoffnung vor den Hohen Feiertagen

Rabbiner Andrew Steiman entfaltet die Parascha Ki Tawo in 5. Mose 26,1–29,8 als Einladung zum Hören, Verstehen und Handeln: Das Schma und das Schofar stehen für Beziehung, Verantwortung und Erneuerung, nicht für blinden Gehorsam. Jede Mizwa zielt auf die Bildung einer freien, würdigen und gerechten Gesellschaft, die Geschichte, Gesetz und Gegenwart verbindet.


Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:


Kernidee

Ki Tawo markiert im Buch Dewarim/Deuteronomium den späten Höhepunkt von Moses als Lehrer: Er verknüpft Gebote mit der eigenen Geschichte und Identität, sodass Gesetz persönlicher Auftrag und nicht abstrakte Anordnung ist. Gesetz dient der Menschenwürde, dem Schutz der Natur (Schabbatruhe) und der Formung einer freien, gerechten Ordnung.

Hören und Schofar

Das Schofar ist bei Maimonides ein „Gebet ohne Worte“; seine Töne rufen zur Rückkehr, Erneuerung und inneren Aufmerksamkeit auf. Die drei Klangmuster spiegeln Kontinuität (lang), Loslassen (kurz) und Zwischentöne, wodurch Hören zur existenziellen Übung wird.

Schma und Gehorsam

„Schma“ bedeutet nicht nur akustisches Hören, sondern Beherzigen, Verstehen und Befolgen; im Hebräischen verschmelzen „hören“ und „gehorchen“. „Na’aseh ve-nishma“ lehrt: Im Tun wächst das Verstehen; blinder Gehorsam hat in der Tora keinen Platz.

Gesetz, Freiheit, Geschichte

Israel lernt Freiheit nach der Sklaverei: Erst Befreiung ermöglicht Denken und Verantwortung. Die 613 Gebote strukturieren Freiheit, damit aus Unterwerfung dialogische Partnerschaft mit Gott wird.

Sprache und Dialog

Steiman kontrastiert „Gehorchen“ in autoritären Kulturen mit dem biblischen Hören als aktiver, verstehender Antwort. Dialog stiftet Identität; Rituale wie das Bedecken der Augen beim Schma schärfen das innere Hören jenseits bloßer Routine.

Begründetes Recht

Mit David Weiss Halivni betont er „gerechtfertigtes Recht“: Die Tora will einsichtig machen statt dekretieren, im Gegensatz zu antiken und modernen Autokratien. Der Befehl Gottes erscheint wie Unterricht eines Lehrers, der Verständnis und Zustimmung sucht.

Gegenwart und Ethik

Steiman kritisiert „Canceln“ und politische Gewalt und ruft zum Zuhören auf; echte Demokratie ersetzt Gewalt durch Abwahl. Hinweise auf Repressionen wie Hinrichtungen im Iran unterstreichen, wie sehr Freiheit, Würde und Rechtfertigung bedroht sind.

Feste und Hoffnung

Rosch HaSchana (zwei Tage) und Jom Kippur rahmen die innere Erneuerung: Gott „führt Klassenbuch“, doch richtet mit Zeit und Geduld. Seit dem 7. Oktober gewinnt „We will dance again“ an Gewicht: Simchat Tora und das Schofar nähren aktive Hoffnung statt passiven Optimismus.

Zum Schluss

Gott ist Lehrer, kein Tyrann: Er ruft zur vernünftigen, dankbaren und demütigen Freiheit, die hört, versteht und tut. So bleibt das jüdische Volk trotz Verfolgung lebendig: durch persönliche Aneignung von Gesetz, Geschichte und Hoffnung.

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