Im Wort zum Schabbat von ahavta - Begegnungen erläutert Kantor Amnon Seelig den Tora-Wochenabschnitt Wesot HaBracha aus dem 5. Buch Mose, Kapitel 33 und 34. Dieser Abschnitt ist der letzte der Tora und wird ausschließlich am Feiertag Simchat Tora gelesen, niemals an einem regulären Schabbat. Dies – zusammen mit dem anschließendem Lesen von Bereschit an diesem Tag – symbolisiert, dass das Studium der Tora niemals endet; sobald der Zyklus abgeschlossen ist, beginnt er sofort von Neuem.
Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:
Die ewige Tora und die wandelbare Regierung
Amnon Seelig stellt zwei aufeinanderfolgende Verse aus Kapitel 33 in den Mittelpunkt seiner Auslegung. Der erste Vers, Die Tora hat uns Mose befohlen, ein Erbe der Gemeinde Jakobs (33,4), ist die Grundlage für ein bekanntes jüdisches Kinderlied, das uns Amnon singt. Es drückt eine einfache Wahrheit aus: Die Tora ist das ewige und unveränderliche Erbe des jüdischen Volkes.
Im Gegensatz dazu steht der komplexere nächste Vers (33,5), den die „Lesezeichen“ in der Tor in drei Teile gliedern. Amnon interpretiert den Vers mit den Weisen als symbolische Darstellung der Entwicklung menschlicher Regierungsformen:
Die Monarchie: Der Teil Und es war ein König in Jeschurun (ein poetischer Name für Israel) repräsentiert die älteste Regierungsform, in der ein einzelner Herrscher wie ein König, Kaiser oder Diktator die alleinige Macht innehat.
Die Versammlung der Oberhäupter: Die Phrase als sich die Häupter des Volkes versammelten steht für eine fortgeschrittenere Form, in der eine Gruppe von Ältesten, Gelehrten oder ein Parlament (wie die Knesset oder der Bundestag) gemeinsam Entscheidungen trifft.
Die Demokratie: Der letzte Teil, zusammen die Stämme Israels, symbolisiert die modernste Form der Regierung. Hier hat jeder Bürger eine Stimme und nimmt an der Entscheidungsfindung teil, auch wenn dies in der Praxis meist indirekt durch Wahlen geschieht.
Amnon betont, dass diese politischen Systeme von Menschen geschaffen sind und sich im Laufe der Geschichte ständig verändern. Sie unterscheiden sich von Land zu Land und von Epoche zu Epoche. Die Tora hingegen, wie im vorherigen Vers beschrieben, bleibt als göttliches Erbe für alle Generationen stabil und unveränderlich. Sie ist die feste Grundlage des jüdischen Volkes, unabhängig von der jeweils herrschenden Regierungsform.
Ausblick und Hoffnung
Ich ergänze die Auslegung um eine messianische Perspektive: Die Stufe der „direkten Demokratie“ könne auch auf eine zukünftige Zeit verweisen, in der alle Menschen die Tora gleichermaßen verstehen und es keine Hierarchie zwischen Gelehrten und Laien mehr gibt.
Abschließend wird der Wunsch ausgedrückt, dass die am Ende des Kapitels verheißene Sicherheit für Israel bald Realität wird. Kantor Seelig endet mit dem Hoffnungswunsch, dass die Geiseln befreit werden.