Im Wort zum Schabbat von ahavta - Begegnungen erläutert Kantor Amnon Seelig den Wochenabschnitt Wajelech aus dem 5. Buch Mose, Kapitel 31. Dieser Abschnitt ist mit nur 30 Versen der kürzeste der Tora und wird in den meisten Jahren zusammen mit dem vorherigen Abschnitt Nizawim gelesen.
Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:
Die Bedeutung des Gehens
Amnon Seelig konzentriert seine Auslegung auf das erste Wort des Abschnitts, Wajelech – „Und er ging“. Der erste Vers lautet: „Und Mose ging und redete diese Worte zu ganz Israel.“ Dies erscheint widersprüchlich, da Mose an Ort und Stelle steht und eine lange Abschiedsrede hält. Der Vers scheint überflüssig, da er lediglich eine Rede fortsetzt.
Die Besonderheit liegt laut Seelig in der seltenen Verwendung der Wortkombination Wajelech Mosche („Und Mose ging“). Diese Formulierung kommt in der gesamten Tora nur viermal vor und markiert stets einen entscheidenden Fortschritt in der Geschichte des jüdischen Volkes :
Als Mose nach der Offenbarung am Dornbusch zu seinem Schwiegervater Jetro zurückkehrt, um nach Ägypten zu gehen.
Als Mose gemeinsam mit Aaron die Ältesten Israels versammelt, um ihnen Gottes Botschaft zu überbringen.
Zu Beginn des aktuellen Wochenabschnitts Wajelech.
Innerhalb desselben Abschnitts, als Mose gemeinsam mit Josua zum Zelt der Zusammenkunft geht, um Josua in sein Amt als Nachfolger einzuführen.
Symbol für fortschrittliche Führung
Die ersten beiden Male stehen am Anfang von Moses’ Wirken, die letzten beiden am Ende seiner Führung. Seelig deutet dies als Symbol für Moses’ Führungsqualität: Er war immer in Bewegung und dachte stets daran, wie er das Volk Israel weiterbringen kann. Obwohl das „Gehen“ im aktuellen Abschnitt nicht physisch ist, symbolisiert es einen geistigen Fortschritt. Mose klammert sich nicht an sein Amt, sondern sorgt für einen geordneten Übergang und die Erfüllung von Gottes Willen. Seine Priorität ist die Aufgabe, nicht die Macht.
Verbindung zur Halacha
Von dem hebräischen Wort für „gehen“ (halach) leitet sich auch der Begriff Halacha ab, das jüdische Religionsgesetz. Seelig erklärt, dass die Halacha daher kein starres, eingefrorenes Regelwerk ist. Vielmehr ist sie ein Weg, der sich den jeweiligen Herausforderungen der Zeit anpasst und immer in Bewegung bleibt, genau wie das Leben selbst. Mose verkörpert dieses Prinzip, indem er stets voranschreitet und nur das Interesse des Volkes und Gottes Wort vor Augen hat.