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Schabbat Nizawim || Wähle das Leben

Rabbiner Rothschild betont zum Wochenabschnitt den Ruf zur Bundestreue, zur Umkehr und zur Entscheidung für Leben und Verantwortung – persönlich, gemeinschaftlich und politisch, inmitten der Krise.

Rabbiner Dr. Walter Rothschild liest Nizawim in 5. Buch Mose 29,9–30,20 als aktuellen Aufruf zur Bundestreue, zur Verantwortungsübernahme und zur bewussten Wahl des Lebens – persönlich, gemeinschaftlich und politisch, gerade angesichts von Krieg, Geiseln und globalen Spannungen.


Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:


Kontext

Rothschild verortet Nizawim zwischen vorherigen Abschnitten über Krieg und Landnahme: erst Regeln im Krieg, dann Ankunft im Land und Dankopfer – daraus erwächst Verantwortung in der Gegenwart, nicht Theorie für die Vergangenheit. Er betont, Tora werde wöchentlich gelesen, damit sie aktuell bleibe; Politik sei nicht ausklammerbar, denn Nizawim fordert konkrete Entscheidungen in realen Krisen ein.

Alle stehen im Bund

„Ihr steht heute alle“ umfasst Führung, Männer, Frauen, Kinder und den Fremden – bis zum Holzhauer und Wasserschöpfer –, also auch Zugewanderte und Arbeiter; der Bund gilt den Anwesenden und den Noch‑Nicht‑Geborenen gleichermaßen. Daraus leitet er eine Ethik der Mitverantwortung ab: Identität bewahren, aber inmitten anderer Völker leben, Einfluss abwägen und Grenzen kultureller Übernahme reflektieren.

Die Wahl: Leben oder Tod

Kernthese ist die Freiheit des Willens: Segen und Fluch, Leben und Tod stehen vor jedem Einzelnen, nicht fremde Mächte entscheiden, sondern die Gemeinschaft und jede Person selbst. Diese Wahlpflicht sei „jüdische DNA“ und fordert täglich Richtung: rechts oder links, Gehorsam oder Abkehr – und politisch: wie konkret Leben zu schützen ist.

Teschuwa und Heimkehr

Kapitel 30 ruft zur Rückkehr zu Gott auf – bemerkenswert in der Reihenfolge: zuerst Umkehr, dann Hören auf Gottes Stimme, mit Kindern und ganzem Herzen. Gott sammelt die Zerstreuten, kehrt Gefangene zurück und verlagert Fluch auf Feinde; Rothschild liest dies existenziell angesichts von Geiseln und Migration jüdischer Gemeinden aus Europa nach Israel.

Der Bund ist nicht fern

Die Gebote seien „nicht im Himmel“ und „nicht über dem Meer“: Das Richtige liegt nahe, im Mund und Herzen, um es zu tun – Verantwortung wird unabtretbar persönlich. „Wähle das Leben“ heißt praktisch: nicht nur eigenes Leben, sondern Schutz des Gemeinwesens, bei tragischer Kollateralität und harten Zielkonflikten in Kriegsentscheidungen.

Realismus, Wehrhaftigkeit, Kritik

Judentum gründet nicht auf „Frieden um jeden Preis“, sondern auf Bund: Frieden oder Krieg sind Mittel des Gehorsams je nach Notwendigkeit der Verteidigung. Pazifistischer Idealismus ohne Schutz führe historisch ins Massaker; daher plädiert er für wehrhafte Nüchternheit und Misstrauen gegenüber Propaganda in aktuellen Konflikten.

Generationen und Bildung

Ohne Erziehung an Werte, Pflichten und Gottesidee trägt die nächste Generation den Bund nicht; daher die Sorge um jüdische Jugendliche nicht nur in den USA und der Ruf nach wertebasierter Religionsbildung jenseits von Konfessionsschablonen. Integration in pluralen Gesellschaften verlangt Sprache, Arbeit, gleiche Bildung für Töchter und Söhne – bei klarer Bewahrung eigener Identität.

Gegenwartspolitische Spiegelung

Der Rabbiner kritisiert unklare Projektionen eines „palästinensischen Staates“ ohne geklärte Verfasstheit, erinnert an innere Pluralität palästinensischer Akteure und warnt vor europäischem Signalisieren ohne tragfähige Lösungen. Zugleich unterstreicht er den israelischen Grundkonsens: Geiseln retten, Frieden anstreben – der Streit betrifft das Wie, nicht das Ob.

Das Ziel der Umkehr

Am Ende des Jahres vor Rosch HaSchana ruft Nizawim zur Teschuwa, zur Erneuerung des Bundes und zur Entscheidung für das Leben – damit Tage verlängert werden und die Kinder in Frieden wohnen, „auf dem Boden“, nicht darunter. Der Text wird so zum existenziellen Ruf: wählen, umkehren, handeln – jetzt.

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