Yuval Lapide erläuterte am 12. September 2021 den jüdischen Versöhnungstag, im Hebräischen Jom Kippur genannt. Wörtlich ist es der „Tag der Bedeckung“, nämlich der Sünden. Seine damalige Erklärung hörst du heute hier, da ich derzeit auf Reisen bin. Aber die Tora ist ewig und veraltet nicht…
Jom HaKippurim, wie der Tag im Tanach heißt, so etwa 3. Mose 25,9, ist der höchste Feiertag im jüdischen Volk; nach dem jüdischen Kalender stets am 10. Tischri.
In den Tagen, die Jom Kippur vorausgehen, sind Juden aufgefordert, um Verzeihung zu bitten und jene, gegen die man während des Jahres, subjektiv oder objektiv, falsch oder zumindest nicht korrekt gehandelt hat, zu versöhnen. Man ist angehalten, seine zwischenmenschlichen Beziehungen in Ordnung zu bringen. Dabei heißt Versöhnung ausdrücklich nicht, etwas vergessen, gar ungeschehen zu machen. Es sollte aber der Wille gezeigt werden, trotz allem den weiteren Weg im Frieden gehen zu wollen. Voraussetzung dafür ist das Eingeständnis des Sachverhaltes, der Tat, gefolgt durch Reue, Verhaltensänderung und, soweit möglich und notwendig, Wiedergutmachung.
Erst anschließend kann man sich an Gott wenden. Mit dem Sündenerlass ist also jedes Jahr ein gewisser Neuanfang ohne Last der Vergangenheit möglich.
Am Beginn des Abendgottesdienstes wird das Gebet Kol Nidre („alle Gelübde“) gesungen. In Bußgebeten (slichot genannt) bittet man um Verzeihung der Sünden des vergangenen Jahres. Im Morgengottesdienst wird an die verstorbenen Verwandten erinnert. Mittags wird die Geschichte vom Propheten Jona gelesen, der der assyrischen Stadt Ninive ihren Untergang ankündigen sollte. Er widersetzte sich jedoch Gottes Auftrag und entfloh seiner Bestimmung. Schließlich bereute er seinen Irrweg, kehrte um und fand Gnade vor Gott. Juden, die zu Jom Kippur beten, hoffen, dass es ihnen nach ihrer Umkehr und Buße ebenso ergehen wird.
An Jom Kippur wird rund 26 Stunden vollständig gefastet (von Beginn des Sonnenuntergangs bis zum kompletten Ende des Sonnenuntergangs), also auch nicht getrunken. Jeglicher Genuss, nicht nur der kulinarische, wird vermieden.
In Israel spürt man den Jom Kippur überdeutlich, denn als Ruhegebot gilt, profan ausgedrückt, „Schabbat hoch zwei“: Sämtliche Radio- und Fernsehstationen senden nur Testtöne bzw. -bilder, der Straßenverkehr kommt fast zum Erliegen, selbst in nicht-orthodoxen Städten wie Tel Aviv sind fahrende Autos nur sporadisch zu sehen. Kinos, Restaurants usw. sind landesweit geschlossen. In Jerusalem ist das Gebiet der Klagemauer mit Gläubigen überfüllt. Viele tragen ein weißes Gewand, das zum einen eine gewisse Reinheit symbolisiert, zum anderen, dass die begangenen und nun bereuten Sünden „weiß wie Schnee“ (Jesaia 1,18) werden sollen.
Diese Tora-Auslegung kannst du auch als Podcast hören – in der „Substack“-App oder überall dort, wo du sonst deine Podcasts hörst – unter dem Titel „Wort zum Schabbat“.
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