Rabbiner Andrew Steiman spricht über den Wochenabschnitt Bamidbar, der das Buch Numeri eröffnet und hebräisch den Namen des Buches trägt (4. Mose 1,1–4,20). Er verbindet ihn mit aktuellen Ereignissen, insbesondere den 600 Tagen der Geiselnahme durch die Hamas.
Bei ahavta - Begegnungen kannst du den Tora-Abschnitt der Woche in der Übersetzung durch Rabbiner Simon Bernfeld lesen oder sogar als Podcast anhören:
Rabbiner Steiman beginnt mit der Bedeutung des Zählens, das mit der Freiheit beginnt - der Monat Nisan markiert den ersten Monat, weil das unterdrückte Volk in Ägypten nicht einmal zählen konnte.
Bamidbar als Übergangszeit
Steiman erklärt, dass Bamidbar nicht nur „Wüste“ bedeutet, sondern auch „Wildnis“ - ein Niemandsland ohne hierarchische Ordnung wie in Ägypten. Die Wüste stellt eine Schwellensituation dar, einen Übergang zwischen der Befreiung aus Ägypten und der Freiheit im gelobten Land. Das Buch beginnt und endet mit Volkszählungen, wobei es oberflächlich um Demografie, inhaltlich aber um die Volkwerdung geht.
Gemeinschaft und Identität
Der Rabbiner betont die Bedeutung der Gemeinschaft beim Zählen der Geiseltage. Er zitiert Gilad Schalit, der sagte: „Ich habe die Hoffnung verloren, aber ich wusste, ihr verliert sie nicht“ - andere müssen für die Gefangenen die Hoffnung bewahren. In der Wüste entsteht eine Kommunitas, wo alle gleichen Wert haben, im Gegensatz zur pyramidalen Hierarchie Ägyptens.
Literarische Struktur der Tora
Steiman erläutert die Perspektivenwechsel in den Büchern: Genesis fokussiert auf Familien, Exodus auf Volkwerdung, Leviticus auf Berufung zu einem besonderen Volk, und Numeri bereitet den Eintritt ins gelobte Land vor. Er verweist auf Marcel Reich-Ranicki, für den die Tora literaturgeschichtlich bedeutsam ist, da ohne sie Shakespeare, Schiller und Goethe undenkbar wären.
Schwellen und Übergänge
Der Begriff der Schwelle durchzieht Steimans Ausführungen. Er vergleicht persönliche Übergangsriten (Geburt, Bar Mizva, Hochzeit) mit der Volkwerdung Israels. Die Mesusa symbolisiert ursprünglich die Schwelle beim Auszug aus Ägypten. Das ganze Buch Bamidbar ist eine große Schwelle vor dem Eintritt ins gelobte Land.
Aktuelle Bezüge und Spaltungen
Steiman sieht Parallelen zwischen der aktuellen Spaltung in Israel („bring them home“ versus andere Prioritäten) und historischen Spaltungen bei den Zionistenkongressen zwischen territorialen und personenbezogenen Fraktionen. Er vergleicht die ethischen Dilemmata mit der Schleyer-Entführung durch die RAF und Helmut Schmidts schwerer Entscheidung.
Hoffnung und Zukunft
Trotz der deprimierenden Situation findet Steiman Hoffnung in der Tora-Geschichte von Jakob, der sein Volk teilte, aber wieder zusammenführte. Er betont, dass Familiengründung und Glaube an die Zukunft die einzig richtige Antwort auf den Tod sind - wie bei den Überlebenden der Konzentrationslager in den DP-Lagern 1945, die entgegen der allgemeinen Statistik Familien gründeten und Existenzen aufbauten.
Der Rabbiner schließt mit dem Symbol der jüdischen Hochzeit: Das zerbrochene Glas erinnert an Jerusalem und die Zerstörung, aber gleichzeitig beginnt die Freude - ein Zeichen dafür, dass in einer Ehe wie im Leben Freude und Trauer wechseln.
Die Tora-Auslegung des Rabbiners kannst du auch als Podcast hören – in der „Substack“-App oder überall, wo es Podcasts gibt – unter dem Titel „Wort zum Schabbat“.
Freitags um 14 Uhr kannst du live dabei sein, wenn ein Rabbiner oder Lehrer seine Beobachtungen zum Wochenabschnitt der Tora weitergibt. So nimmst du teil:
Über die Website ahavta.clickmeeting.com.
Nur bei einer mobile Anwendung brauchst du die Event-ID: 922-427-295
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